«Ende der Leberwurst-Diplomatie» titelte der Norddeutsche Rundfunk nach den Berichten über Andrij Melnyks angeblich bevorstehende Abberufung.

In der Tat, wenn jemand das distanzierende Attribut «umstritten» verdient, dann der ukrainische Botschafter in der Bundesrepublik: Die einen applaudieren seinen Forderungen nach Waffen und noch mehr Waffen für den Widerstand gegen die russischen Invasoren – andere bezeichnen Melnyk als Putins beste PR-Waffe auf deutschem Territorium.

Das Genick gebrochen hat ihm die hartnäckige Verteidigung des 1959 ermordeten ukrainischen Nationalistenführers Stepan Bandera in einem Youtube-Interview: Über zwanzig Minuten hinweg leugnet er Banderas Verantwortung als Leitfigur des mörderischen, zutiefst antisemitischen, antipolnischen und antirussischen ukrainischen Nationalismus der 1930er und 1940er.

Der Proteststurm reichte von Tel Aviv bis in die USA: Auch Melnyks Aussenministerium hat sich distanziert.

Dass der Botschafter hochrangige Repräsentanten seines Gastlandes als Arschloch und Leberwurst bezeichnet hat, verblasst angesichts seiner Inschutznahme eines Massenmörders im Geiste.

Vor allem lässt die Dickfelligkeit des Diplomaten durchscheinen, mit welcher Nonchalance man in der Westukraine, Melnyks Heimat, mit dem Erbe des übelsten Nationalismus verfährt. Dort gilt Bandera als Nationalheld.

Es gibt Bandera-Museen, Bandera-Statuen in mehreren Städten und Dutzende Bandera-Strassen, in Kiew seit 2018 eine Stepan-Bandera-Avenue.

Schon erklingen Warnungen vor dem Hintergrund der neugefundenen Waffenbrüderschaft mit Polen: Nach einem Ende des Krieges könnte sich die ukrainische Bandera-Euphorie recht bald als Spaltstoff in den beiderseitigen Beziehungen erweisen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Abberufung Andrij Melnyks: Dass der ukrainische Botschafter Repräsentanten seines Gastlandes beleidigt hat, verblasst angesichts seiner Inschutznahme des Massenmörders Stepan Bandera"
  • oazu

    Soweit sind wir, nicht mehr nur kommt der neue Faschismus in den Kleidern des links-woken Anti-Faschismus daher, nein, offenen Faschisten wie diesem Melnyks und seiner Entourage wird hoffiert, wenn sie auf der "richitgen" Seite der Grossmacht- und Möchte-Gern-Grossmachtpolitik stehen. Die 1930er wiederholen sich immer frappanter, mit genau gleichem Gutmenschentum.

  • Bischi49

    Offenbar ist Putins Narrativ der Entnazifizierung der Ukraine nicht einfach völlig aus der Luft gegriffen. Das rechtfertigt zwar nicht seinen brutalen Überfall auf dieses Land, zeigt aber, dass da auch einige blinde Flecken zu finden sind, welche den Trollfabriken die Desinformation erleichtern.

  • Schlitzohr

    Diese üble Entwicklung hat schon lange mitunter auch in Kroatien seine Anfänge, in den neunzigern Jahren genommen. Als Karolj Vojtila aus Krakau den Kriegsverbrecher Alojz Stepinac seelig gesprochen hat. Es geht munter weiter und keiner stört sich daran. Hauptsache es ist gegen die immer bössen Russen gerichtet. Dann ist jedes Mittel recht und jedes Hakenkreuz im sinnlosen Kampf gegen sie willkommen. Einfach krank und beschämend. Geschichte Korrektur und Willkür aus dem Lehrbuch.