Es ist tatsächlich schwierig, nachzuweisen, dass einzelne Journalisten die Stallorders ihrer Chefs befolgen oder befolgen müssen, wollen sie nicht ihre Berufs- und Aufstiegschancen gefährden. Die Anweisungen im Hause Ringier zur Unterstützung von Bundesrast Berset während der Corona-Pandemie sind nur die Spitze des Eisberges. Umso wohltuender ist es, von einem ehemaligen Ringier Journalisten die schriftliche Bestätigung zu erhalten, wie es in Tat und Wahrheit in solchen Schreibstuben zugeht.

Hier ein paar wörtliche Zitate aus seinem Brief: «Mir kommt es vor, als ob wir Journalisten ständig an einem Karussell drehen und in unserer Berichterstattung dann darüber berichten, wie es sich dreht. Und wenn mal keine Story da ist, dann schiessen wir in den nächsten Taubenschwarm, oder schütteln am nächsten Baum. Irgendetwas wird schon auf dem Teller landen. Wir brauchen ständig neue Storys, aufregende, und noch aufregendere, möglichst solche, die sich einfach (‹stringent›) erzählen lassen (‹Sag’s mir in drei Sätzen!›), knackig, farbig, süffig. Und bitte nicht: kompliziert, vielschichtig, komplex – die Leser haben’s schwer genug.»

Es gehe vielen Journalisten darum, ihre persönlichen vorgefassten Meinungen zu verbreiten, indem man gegenteilige Auffassungen schon gar nicht in Betracht ziehe: «In der Regel achtet man darauf, dass die Story in ein Konzept passt, das heisst, jenem ‹Design› entspricht, das man im Kopf hatte, als man von der Geschichte noch keine Ahnung hatte, aber eine Idee oder, besser noch, einen Wunsch, mindestens aber eine These, eine von störenden Relativierungen unbelastete.»

Der Journalist, der verständlicherweise anonym bleiben will, zeigt auch auf, wie die Mediengeilheit vieler Leute für den Kampagnen-Journalismus missbraucht wird: «Deshalb: Recherchiere nie zu viel, das habe ich oft genug gehört – man könnte die Story noch ‹zu Tode recherchieren›. Was damit beginnt, tunlichst jemanden anzurufen, der die Story bestätigt (das hilft der Leserin, dem Leser, ‹schneller zum Kern der Geschichte vorzustossen›) und nach Möglichkeit niemanden, der sie relativiert (das verwirrt bloss), das alles endet mit der Parole: Never let the Truth kill a good Story. Wahrheit? Infotainment!»

Und mit seiner Schlussfolgerung trifft er voll ins Schwarze: «Wohlverstanden, es wird nicht – und wenn, höchst selten – bewusst Unwahres geschrieben, oft aber nicht die ganze Wahrheit; macht es das besser? Wenn diese Zeilen den Eindruck erwecken, hier schreibe ein Frustrierter, dann täuscht er: Ich bin es nicht. Ich mach mir nur Sorgen. Sorgen über den Umgang mit Worten, über den Umgang mit Macht, über den Umgang mit Menschen.»

So weit die Zuschrift.

Der Hilferuf des Journalisten ist unüberhörbar, aber was kann man tun? Viele Journalisten stehen derart unter Druck, dass sie sogar Storys, die andere Journalisten als Primeurs lanciert haben, journalistisch aufnehmen und begleiten müssen, wollen sie nicht in den Verdacht kommen, eine «wichtige Geschichte» verpasst zu haben.

Und welcher Journalist hat heute noch den Mut, gegen den Mainstream zu schwimmen und eine Story zu widerlegen, die ein Berufskollege eines Grossverlages lanciert hat? Man weiss ja nie, ob man bei der nächsten Stellensuche nicht eben gerade bei diesem Grossverlag anklopfen muss.

Warum fehlt den Journalisten die Zivilcourage, gegen den Kampagnen-Journalismus anzutreten und wieder nach der Wahrheit zu suchen, so wie sie der deutsche Presserat fordert? «Die Achtung der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhafte Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.»

Die 3 Top-Kommentare zu "Affäre Berset: Ein Ex-Ringier-Journalist zeigt auf, wie die Mediengeilheit vieler Leute für den Kampagnen-Journalismus missbraucht wird"
  • Sabine Schönfelder

    Tun wir nicht so, als ob wir NICHT ALLE WÜSSTEN, daß MEDIEN über STAKEHOLDER-Verbindungen, direkte Zuwendungen von Globos wie Gates, sowie staatliche ZUSCHÜSSE g l e i c h g e s c h a l t e t sind. Allein Wortlaut und Inhalt gleichen sich LÄNDERÜBERGREIFEND= global in fataler Art und Weise. Man erbaut die Phalanx einer erfundenen Realität. Ein Impfmassenversuch wird schön geredet, ein Kriegsspektakel zum Wirtschaftsumbau für eine reiche Clique mißbraucht und aufrechterhalten. Seht Ihr das nicht?

  • Mike8049

    Es wäre an der Zeit, auch über die Rolle der (Gross-)Verleger zu sprechen, insbesondere der Familie Ringier und des Staates. Zum Glück - bald dürfen wir über Halbierungsinitiative abstimmen. Doch wie können wir den Einfluss von Ringier eindämmen? Solange Bundesräte deren Spiel mitspielen, ist es schwierig …

  • Silver Shadow

    Ich habe mir interessanterweise gestern Gedanken über diese MSM Journalisten gemacht. Hier gibt es in nächster Zeit solche, die zu viel wissen und wohl nasse Füsse kriegen, weil jetzt die Stunden gekommen sind, um der Wahrheit und Realität in die Augen zu schauen. Zu viel ist gelogen, betrogen und man stelle sich vor; das Schweizervolk ist übelst hintergangen worden.