Im Alter von 59 Jahren ging Eveline Widmer-Schlumpf in Pension.

Ihr Entscheid, als BDP-Bundesrätin abzutreten, fiel, nachdem ihre Partei im Herbst 2015 die Nationalratswahlen verloren hatte.

Seit dann erhält sie eine jährliche Rente von rund 225.000 Franken. Das ist die Hälfte des Lohnes, den sie während ihren acht Jahren in der Landesregierung kassierte.

Mit ihren Bezügen gehört die Bündner Politikerin und Präsidentin der Stiftung Pro Senectute ökonomisch betrachtet zu den privilegiertesten Personen der Schweiz. Finanzielle Sorgen sind ihr fremd, sie kann sich fast alles leisten, was man mit Geld kaufen kann.

Das unbeschwerte Leben sei Widmer-Schlumpf gegönnt.

Was aber irritiert, ist ihr mangelndes Sensorium für Menschen, die kein Leben in Saus und Braus führen können, wie es die ehemalige Magistratin tut.

Sie stammen vielleicht aus armen Verhältnissen, haben intellektuell beschränkte Möglichkeiten oder einfach viel Pech.

Auf ihrem Wohlstands-Thron sitzend, ruft ihnen Widmer-Schlumpf via NZZ am Sonntag nun zu: «Jede Frau sollte heute mindestens 70 Prozent erwerbstätig sein, um ein Leben führen zu können, das demjenigen vor Eintritt ins Rentenalter entspricht. Bei Kleinpensen wird das schwierig.»

Ihre Botschaft lautet: Liebe Kiosk-Verkäuferinnen, Coiffeusen oder Pflegefachfrauen mit niedrigen Löhnen, die ihr vielleicht noch Kinder betreut und den Haushalt schmeisst: Jetzt reisst euch endlich am Riemen, seid weniger faul und fängt an, mehr zu arbeiten. Nur wer viel arbeitet, hat eine anständige Pension in Aussicht.

Sachlich mag ihre Argumentation stimmen.

Aber sie hat etwas Kaltherziges, fast Brutales.

Ob die oberste Seniorin des Landes damit bei der Bevölkerung punkten kann und unter anderem ihr Ziel erreicht, für die AHV-Reform zu werben, ist fraglich.