Der vielgescholtene Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis sitzt plötzlich weltpolitisch in der ersten Reihe.

Bei der Beerdigung von Queen Elizabeth II durfte er neben US-Präsident Joe Biden Platz nehmen. Während der Uno-Versammlung in New York traf er sich mit dem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow.

Man merkt: Zum Schluss seines Präsidialjahres will der FDP-Bundesrat noch den einen oder anderen Pflock einschlagen.

Er versucht das zu tun, was man von ihm seit Beginn des Ukraine-Krieges eigentlich hätte erwarten dürfen: nämlich, die Kriegs-Parteien Russland und Ukraine an den Verhandlungstisch zu bringen.

Der Tessiner soll Lawrow entsprechend gute Dienste der Schweiz offeriert haben, das sagen jedenfalls die Russen.

Die Frage ist nur, wie glaubwürdig klingen die diplomatischen Avancen des Tessiners in den Ohren der russischen Machthaber?

Aussenminister Lawrow gab die Antwort darauf in den vergangenen Tagen gleich selber: Er forderte die Schweiz auf, zur Neutralität zurückzukehren.

Halten wir zuerst fest: Der russische Aussenminister hat uns nicht zu sagen, wie wir uns zu verhalten haben. Wir sind keine russische Kolonie.

Lawrows Aussage bestätigt aber einmal mehr, dass uns Russland nicht mehr als neutralen Staat betrachtet. Da kann die Allianz aus SP, FDP, Grünen und Mitte-Partei noch lange von den Dächern schreien, die Übernahme der Sanktionen gegen Putin sei neutralitätspolitisch kein Problem.

Sie sind genau «das Problem», welches uns international noch lange um die Ohren fliegen wird. Es kommt eben nicht darauf an, wie wir im Inland die Handhabung der Neutralität beurteilen, sondern wie uns das Ausland tatsächlich wahrnimmt.

Und hierbei hat sich seit Monaten etwas verändert.

Wenn international renommierte Zeitungen wie die New York Times wegen der Übernahme der Russland-Sanktionen durch die Schweiz schreiben, selbst die Eidgenossen hätten ihre Neutralität aufgegeben, kommt dies einem ziemlichen Reputationsschaden gleich.

Der Auftritt des Bundespräsidenten auf dem Bundesplatz zu Beginn des Krieges, wo Cassis mit dem ukrainischen Präsidenten öffentlich fraternisierte, hat unsere Position noch mehr fragilisiert.

Gut, dass er sich jetzt bemüht, ein Stück Neutralitäts-politische Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen bei einem Treffen mit Russlands Aussenminister.

Dafür verdient er Applaus und nicht Schimpf und Schande wegen eines gemeinsamen Fotos. Nur Ignazio Cassis hat noch einen dornigen Weg vor sich.

Die 3 Top-Kommentare zu "Schweizer Neutralitäts-Bruch: Bundespräsident Cassis bekommt seine parteiische Staatspolitik von Russland um die Ohren geschlagen"
  • Schweizer-im-Ausland

    Das war jetzt ein diplomatischer Wink, dass die Russen sehr gene mit uns eine Friedenslösung und Umsetzung sucht. Ich hoffe, dass unsere Regierung, allen voran der Bundesrat den Wink versteht, über den eigenen Schatten springt und endlich das Richtige tut, nämlich sich von den Sanktionen und dem Russen Bashing zu distanzieren und die Neutralität pflegen!

  • ursus

    Lawrow hat völlig recht. Selbst wenn er der Inbegriff der russischen Propaganda verkörpert. Er würde die Schweiz als wirklich neutralen Friedensvermittler wohl akzeptieren. Aber Cassis hat die Schweiz verfassungswidrig zur Kriegspartei erkoren. Cassis hat die Chance zur Rettung von tausenden Menschenleben und unsinniger Zerstörung vertan.

  • Eliza Chr.

    Ganz einfache Frage: Zwei Parteien verstehen sich nicht. Ein Vermittler bietet sich an. Dieser steht jedoch offiziell zu einer der Parteien. WO ist da die Unbefangenheit? Wer will von einem vermittelt werden, der öffentlich Xmal Partei für die Gegenseite genommen hat? Nur ein völlig naiver, dafür sich als arrogant anbiedernder BR eines Mini-Landes kann auf diese völlig hirnlose Idee kommen und dazu noch behaupten, er sei neutral!!!