Die lapidare Mitteilung zur Schweizer Neutralität, die der Bundesrat am Mittwoch verschickte, war von erheblicher Brisanz. Die Landesregierung gab darin zu verstehen, dass sie an der Neutralitätspolitik festhalte, wie sie seit 1993 «definiert und praktiziert» worden sei. Und das bedeutet: Sie hat die Reformpläne von Bundespräsident Ignazio Cassis versenkt.

Der Tessiner hatte während des WEF in Davos alle, inklusive die anderen Bundesräte, mit dem neuen Begriff einer «kooperativen Neutralität» überrascht und versprach einen entsprechenden Bericht dazu. Was er mit kooperativ genau meint, hat er einmal folgendermassen ausgedeutscht: Die Schweiz sollte künftig mit allen Staaten zusammenarbeiten, welche die gleichen Werte verträten wie die Eidgenossenschaft. Entsprechend wollte er dieses aussenpolitische Instrument reformieren. Die Anpassungen stellte er fast als alternativlos dar.

Indirekt gab er damit aber eben auch zu, dass mit der Übernahme der Sanktionen gegen Russland die Neutralitätspolitik aufgeweicht wurde und es nun ein paar kosmetische Retuschen brauchte, um Sanktionsregime und Neutralitätspolitik wieder in Einklang zu bringen. Aber sagen wir, wie es ist: Seine «kooperative Neutralität» war einfach Habakuk.

Nun muss Cassis wieder über die Bücher gehen und sein Reformpapier im Sinne des Bundesrates anpassen. Dieser ist laut Pressemitteilung der Meinung, dass die aktuelle Neutralitätspolitik der Schweiz einen hinreichend grossen Spielraum lässt, auf Ereignisse wie den Krieg in der Ukraine zu reagieren. Ob das aktuelle Sanktionsregime tatsächlich mit unserer Neutralitätspolitik kompatibel ist, sei einmal dahingestellt. Für Cassis ist diese Niederlage so oder so eine weitere bittere Erfahrung als Aussenminister.

Langsam wird sein Regnum im Departement für äussere Angelegenheit zu einem Drama ohne Ende.

Die 3 Top-Kommentare zu "Bundesrat versenkt die kooperative Neutralitätspolitik von Bundespräsident Ignazio Cassis. Sein Regnum als Aussenminister wird zum Drama ohne Ende"
  • ruedi k.

    Aufgeweicht? So was würde die NZZ schreiben. Nein, Cassis hat die Neutralität nicht nur aufgeweicht, sondern die Schweiz zur Kriegspartei gemacht! Unvergessen die peinlichen Verbrüderungsszenen mit Kriegstreiber Selenski.

  • peter_1

    Alle Sanktionen sofort aufheben. Schweiz zuerst, dann Ausland.

  • fredy-bgul

    Das macht Hoffnung. Einige unserer BR sind nach 6 Monaten aus der Angst und Schockstarre erwacht. Langsam scheint das pragmatische, konservative Denken wieder Einzug zu halten. Schritt für Schritt, Ideologien und Moralismus ade. Und das ist auch bitter nötig. Die Erkenntnis, dass wir jede Auslandabhängigkeit so stark als möglich reduzieren müssen und so viel als möglich selber produzieren, ist nicht nur für die CH heilsam, die EU ist ebenso betroffen. Sanktionen beenden ist der nächste Schritt.