Nach einem kurzlebigen Comeback nach den Covid-Lockdowns serbelt die chinesische Wirtschaft erneut. Die zweite Leitzinssenkung der chinesischen Notenbank in diesem Jahr kann als Eingeständnis und erste Massnahme gegen die konjunkturelle Schwäche interpretiert werden.

Ein Grossteil der chinesischen Bevölkerung vertraut immer noch dem ungeschriebenen Abkommen zwischen der regierenden Kommunistischen Partei und dem Volk, dass Erstere Wirtschaftswachstum und Wohlstand schafft, das Volks sich dafür nicht in die Führung des Landes einmischt. Solange dieses Wohlstands-Vversprechen eingehalten wird, besteht für die Führungselite kein Anlass zur Sorge, wie die Vergangenheit zeigt.

Seit den 1970er Jahren ging es rasant aufwärts, aber nun scheint erstmals eine Zäsur einzusetzen. Die Covid-Lockdowns und Pleiten im Immobiliensektor haben viele Chinesen in Existenznöte gebracht. Die um 40 Prozent tieferen Projektstarts und die rückläufige Zementproduktion sind alarmierend. Der Technologie-Krieg zwischen den USA und China, die Rückführung strategisch wichtiger Produktionsanlagen in den Westen, die beginnende Schrumpfung des Arbeitskräftepotenzials und die grosse Abhängigkeit von Energieimporten sind keine konjunkturellen Schwankungen, sondern Strukturbrüche.

Gelingt es der Regierung nicht, wenigstens ein Wachstum von 5 Prozent aus dem Boden zu stampfen, muss mit Protesten von Millionen verzweifelter Taglöhner und Kleinhändler gegen die Regierung gerechnet werden. Solche Unruhen will die chinesische Regierung vermeiden, wozu auch modernste elektronische Überwachungsanlagen eingesetzt werden.

Dass China die Wachstumszahlen für das dritte Quartal entgegen der Usanz noch nicht bekanntgegeben hat, ist ein schlechtes Omen. Der Internationale Währungsfonds erwartet für das gesamte Jahr 2022 ein Realwachstum von 2,8 Prozent. Deshalb erwarten Experten weitere Finanzspritzen der Regierung. Aber die bisherigen Interventionen am Immobilienmarkt haben gezeigt, dass diese Probleme auch mit viel Geld nicht zu lösen sind.

Gemäss dem National Bureau of Statistics hat sich die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie auf fast 20 Prozent verdoppelt. Dazu kommen ein steigender Druck auf die Sozialsysteme infolge der Überalterung und die Bewältigung der Folgen der flächendeckenden Lockdowns in Grossmetropolen wie Schanghai oder Chengdu. All diese Probleme stellen den neu zu wählenden Ministerpräsidenten am 20. Parteitag vor grosse Herausforderungen.

Sowohl die chinesische Aktienbörse als auch die Währung Yuan reflektieren die Wirtschaftsprobleme des Landes, aber auch die Verunsicherung infolge des Säbelrasselns zwischen China und den USA. Die chinesischen Aktien haben seit dem Höchststand von 2007 rund 48 Prozent eingebüsst, allein 18 Prozent im laufenden Jahr, und der Yuan, der sich, von der Bank PBOC gemanagt, über lange Zeit gut gehalten hat, befindet sich nun gegenüber dem US-Dollar im Sinkflug. Seit Jahresbeginn verlor er 11,5 Prozent.