Das Bundesgericht hat einen Grundsatzentscheid gefällt, der politischen Starkstrom verspricht: Ein Mann, der wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung angeklagt war, wurde freigesprochen. Das «nötigende Element» sei nicht vorgelegen.

Zur Ausgangslage: Donnerstagabend in einer Genfer Bar. Eine Frau und ein Mann begegnen sich; der Flirt nimmt seinen Lauf.

Nachdem sie getrunken, getanzt und geküsst haben, verlassen sie die Bar und gehen zu ihm. Schliesslich haben sie Sex, nachdem sie ihn zuerst oral stimuliert hat.

Danach verlässt die Frau überhastet die Wohnung, und tags darauf erstattet sie Anzeige. Sie habe das nicht gewollt.

Wer hat recht, wenn es heisst: Aussage gegen Aussage – Frau oder Mann? Täter oder Opfer?

Das Bundesgericht folgte dem Kantonsgericht Genf, das in dubio pro reo urteilte – im Zweifel für den Angeklagten.

Für den Mann sei es nicht erkennbar gewesen, dass die Frau den sexuellen Kontakt nicht gewollt habe: Zwar habe sie sich während des Aktes passiv verhalten, aber auf seine Frage, ob ihr «das gefalle», habe sie bejahend genickt. Erst als er sie während des Orgasmus «gebissen» habe, wovon sie Knutschflecken davontrug, habe sie sich mit den Worten «ça fait mal, arrête» oder «aïe» über Schmerzen beklagt.

Nun ist dieser Grundsatzentscheid geeignet, die politische Debatte zur Sexualstrafrecht-Revision zu befeuern: Zu erwarten ist, dass sich die Befürworterinnen und Befürworter der «Nur ja heisst ja»-Variante in ihrem Anliegen bestärkt fühlen: Nur mit ausdrücklicher Zustimmung soll Sex legal sein.

All jenen ist entgegenzuhalten, dass der Sachverhalt mit der «Nur ja heisst ja»-Regel nicht anders beurteilt worden wäre: Der Angeklagte durfte aufgrund des Verhaltens der Frau – wenn nicht explizit – von einer konkludenten Einwilligung in die sexuellen Handlungen ausgehen, was wiederum zu einem Freispruch führen würde. Und dies zu Recht!

Eine strafrechtliche Verurteilung wegen eines Sexualdelikts lässt sich nur legitimieren, wenn eine Person erkennen kann, dass ihr Gegenüber die von ihr ausgehenden sexuellen Handlungen nicht will.

Die «Nur ja heisst ja»-Regel lieferte da nicht nur keinerlei Abhilfe, sondern brächte beschuldigte, möglicherweise sogar unschuldige Täter zusätzlich in die Bredouille – oder wie will man denn bitte erklären, dass der Partner zum Sex explizit eingewilligt hat?

Eveline Roos ist Anwältin im Bereich Strafrecht.

Die 3 Top-Kommentare zu "Das Bundesgericht befeuert mit einem Entscheid die politische Diskussion über die «Nur ja heisst ja»-Regel. Die Verschärfung des Sexualstrafrechts wäre falsch"
  • renato.vanotti

    Lösungsvorschlag: das BAG könnte eine App entwickeln lassen, mit der jeweils der eine Partner an den Andern eine Anfrage senden muss - natürlich mit Zeitstempel und ähnlich der Park-App mit Angabe der Park …. ääh Sexdauer, die aber auch frühzeitig unterbrochen werden kann. Option wären dann noch Kästchen bei denen angeklickt werden könnte, welche Praktiken erlaubt sind und welche nicht ….. hmm, was für Zeiten 😂😂

  • raedi butz

    Beim Transplantationsgesetz haben wir soeben gelernt: "Nur NEIN heisst NEIN!" Wieso sollte das beim Sexualstrafrecht anders sein? Aber eben: Alles wird so zurechtgebogen, wie es den Profiteuren und/oder lautstarken Minderheiten gerade passt. Und: Nein, ich vergleiche nicht Äpfel mit Birnen. In beiden Fällen geht es um das Recht, über den eigenen Körper selber zu bestimmen.

  • Buecherwurm

    Ich bin sehr für: "NEIN HEISST NEIN" und das vor allem mal bei der Corona-Impfung und wenn dr Staat es dennoch versucht, ist das Nötigung und der betreffende Minister sollte dafür auch wirklich persönlich vor ein Strafgericht !