«Natürlich, ja», antwortete Taliban-Sprecher Suhail Shaheen nach einem kurzen Zögern auf die Frage, ob seine Töchter zur Schule gehen.

Weil Frauen in Afghanistan eigentlich keine Ausbildung geniessen dürfen, war das ein Eingeständnis, dass seine beiden Mädchen gegen das Taliban-Gesetz verstossen. Deshalb hielt es Shaheen für nötig, sich zu erklären. Da er sein Land als Chef des Politbüros in Katar vertrete, können sich seine Töchter der dortigen allgemeinen Schulpflicht nicht entziehen.

Das Ausbildungsverbot der Taliban für Frauen gilt eben nicht für alle.

Die Elite, zu der auch Shaheen gehört, setzt sich darüber hinweg und schickt ihre Töchter auf Schulen in Pakistan oder in Katar. So soll der Gesundheitsminister in Kabul, Qalandar Ibad, seiner Tochter den Abschluss eines Medizinstudiums ermöglicht (und bewilligt) haben.

Da alle in der Nachbarschaft zur Schule gingen, meint ein in Doha wohnender Taliban-Beamter, wollten auch seine Kinder lernen. Er habe deshalb nicht nur seine drei Söhne, sondern auch seine beiden Töchter eingeschult.

Seit dem Interview mit Suhail Shaheen, das im Mai ausgestrahlt wurde, hat sich die Geschlechter-Apartheid weiter verschärft: Fast alle Mädchen über 12 Jahren sind von Bildungseinrichtungen ausgeschlossen, wovon laut Schätzung der Unicef 850.000 Afghaninnen betroffen sind. Seit Mai gilt für Frauen die Vollkörperverschleierung und Hausarrest.

Seit November werden sie systematisch aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, aus Gymnasien, aus Parks, Turnhallen und von den meisten Arbeitsplätzen. Aus Universitäten wurden sie soeben verbannt. Jetzt ist es Frauen zudem verboten, für westliche NGOs zu arbeiten.

Dass sich die Taliban-Elite weiterhin über die Vorschriften aus Kabul hinwegsetzt und ihren Töchtern im Ausland ermöglicht, was sie allen anderen verbietet, ist zynische Heuchelei – einerseits.

Anderseits ist es aber auch ein ganz kleiner Hoffnungsschimmer: Denn wenn die afghanischen Vertreter aus dem Ausland nach Hause zurückkehren, könnten sie in Kabul durchsetzen, was für sie in Doha oder Islamabad «natürlich» ist, wie Shaheen vor laufender Kamera zugab.

Die 3 Top-Kommentare zu "Das Regime in Afghanistan betreibt ein rigoroses Ausbildungs-Verbot für Frauen. Die Elite der Taliban setzt sich darüber hinweg"
  • kuede

    Die Taliban erinnern mich ein bisschen an die Grünen in Europa. Sehr radikal in ihren Forderungen, aber selber dann doch lieber Wein als Wasser trinken. Multi-Kulti beklatschen, aber alles daran setzen, dass die eigenen Kinder eine Schulklasse mit möglichst wenigen Fremdsprachigen besuchen können. Dem Büezer den Benziner vermiesen wollen, aber selber gerne mal nach Patagonien zum Öko-Whalewatching jetten. Selbstgerecht eben.

  • oazu

    Nichts Neues unter dieser Sonne, wie bei unser "Polit-Elite", sei es in Bundesbern oder in Kantonsregierungen, siehe CVP-Engelberger in Basel, wo er zu Corona-Krisenzeiten sämtlich Sportanstalten schliessen liess, als besorgten Landesvater sich ausgab, eigene Tochter aber ausserkantonal zur Eisbahn zum Training führte, oder sämtlich Restaurants schliessen liess, selber aber Familienfete im Solothurner Restaurant abhielt. Selber ist man immer von Konsequenzen eigener Ideologie ausgeschlossen.

  • Edmo

    Die Taliban regieren wie die meisten anderen Regierungen auch. Was für das normale Volk Gültigkeit hat, ist für die regierende Elite von grösster Belanglosigkeit. Für uns Europäer sollte höchstens das Randthema, die krasse Unterdrückung der Frauen, ein moralisch gespielter Aufreger sein. Dass sich die Machthaber selbst locker darüber hinwegsetzen, müsste uns nicht weiter auffallen. Für solche Machenschaften der Eliten müssen wir keineswegs mit dem grossen Fernrohr bis Afghanistan blicken.