#MeToo setzte ihnen übel zu, die Gender-Diskussion brachte sie arg ins Wanken – Corona gab ihnen den Rest. Und der Zeitgeist verhindert ihre Rückkehr wohl für immer.
Die Rede ist von den Ehrendamen, die das Bild der Siegerehrungen an Radrennen prägten wie die Blumensträusse und Champagner-Flaschen – die den Helden der Landstrassen Siegerküsse auf die Schweiss-glänzenden Backen drückten und in die Kamera strahlten, als hätten sie selber den ersten Preis gewonnen. Es gab wohl keine Ex-Miss-Schweiz, die diesen Job in ihrer Postregentschaft nicht mit Stolz und Hingabe ausführte. Und die Aspirantinnen standen Schlange. 2015 suchte 20 Minuten «Die Schöne, welche die Besten küsst». Für die Ehrung des Punkte-Leaders nach jeder Etappe forderte die Gratiszeitung ihre Leserinnen auf: «Bewirb dich jetzt als Ehrendame an der Tour de Suisse.»
Sieben Jahre später ist dies Schnee von vorgestern. An der Tour de Suisse 2022 erinnern die Preisverleihungen und Trikotübergaben nach der Zielankunft an keimfreie Zonen in einem Covid-Impfzentrum. Die sportlichen Würdenträger werden hinter dem Vorhang geputzt und gepudert – und vermutlich von einem Roboter in die Leader-Trikots eingekleidet. Die Preise müssen sich die Sieger auf dem Podium quasi selber überreichen.
Damit geht die Tour de Suisse den Weg anderer grosser Rundfahrten. Die Vuelta hat die Ehrendamen schon 2017 auf den ewigen Jagdgründen der Sportwelt entsorgt. An der Tour de France werden die Veranstalter der Gender-Gleichstellung dadurch gerecht, dass auch ein Mann bei der Preisverleihung dabei ist – quasi als Anstands-Wauwau.
Dass die eigentliche Gefahr auf dem Siegerpodest aber nicht vom Mangel an Respekt gegenüber der Weiblichkeit ausgeht, sondern vom technischen Handling mit den Naturalgaben, bewies der eritreische Giro-Etappen-Gewinner Biniam Girmay vor einigen Wochen. Beim Öffnen der Champagnerflasche stellte er sich derart ungeschickt an, dass ihm der Korken direkt ins Auge knallte. Girmay musste das Rennen aufgeben. Eine Ehrendame hätte das Malheur vielleicht verhindert.
Vielleicht gibt es bald Küsschen von nicht binären oder asexuellen Menschen. Mich würde solches nicht wundern.
Ach ja, da war ja mal was. Der Held wird nach einem Anstrengenden Tag auf der Strasse, im Kampf Mann gegen Mann, von holden Damen umgarnt. Auch wenn er immer noch schweissnass ist und stinkt wie ein Iltis. Aber das strahlt ja Männlichkeit aus, nicht wahr. Nein, vermisst wohl niemand. Und wenn sich jemand mit einer Schampusflasche selber ausnknockt ist das ein Thema für das BFU, die können ja ein Projekt daraus machen und einige Leute dazu einstellen, vielleicht auch einige ex Missen.
Der letzte Satz sitzt: “Eine Ehrendame hätte vielleicht das Malheur verhindert”. Als ehemaliger Beteiligter dieser Sportart habe ich auch mit Unglauben die Szenen bei der Etappen-Siegerehrung bestaunt. Ich dachte, ich sei unwissentlich Zeuge einer Siegerehrung in einem tiefst-islamischen Staat geworden.