Der französische König Ludwig XVI. hielt die Revolution, die mit dem Sturm auf die Bastille ihren Anfang nahm, zunächst nur für eine Revolte. Ein schwerwiegender Irrtum, für den er schliesslich mit seinem Kopf bezahlte. Als ebenso fatale Fehleinschätzung, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen, dürfte sich die Qualifizierung des Krawalls vom 6. Januar 2021 in und um das Kapitol als insurrection, als Aufstand zur Machtübernahme erweisen. Das war es schlicht und einfach nicht.

Das von der Sprecherin Nancy Pelosi dazu inszenierte Hearing mag vieles sein, ein Instrument zur Aufklärung von Sachverhalten und Verantwortlichkeiten ist es nicht. So wird das Publikum nicht erfahren, wie es um Pelosis eigene Verantwortung steht. Was unternahm sie als Hausherrin zum Schutz des Parlamentsgebäudes, und warum wurde Trumps Angebot, zehn- bis zwanzigtausend Soldaten der Nationalgarde zu stellen, abgelehnt?

Es ist ein Schauprozess, der selbst rudimentären Anforderungen an die Fairness nicht zu genügen vermag. Eine Verteidigung gibt es nicht, und die Zeugen, die teils hanebüchenen Unsinn erzählen, haben keine kritischen Fragen in einem Kreuzverhör zu befürchten. Und vor allem haben jene, die die Lauterkeit der Wahlen von 2020 in Zweifel ziehen, keine Möglichkeit, ihre Argumente vorzutragen.

In Tat und Wahrheit geht es um Donald Trump, der damit kokettiert, 2024 noch einmal als Präsidentschaftskandidat anzutreten. Ein Sieg Trumps wäre ein Waterloo für die Demokraten, die sich einige Monate vor den midterms in denkbar schlechter Verfassung befinden: Der gesundheitliche Zustand Bidens, der ebenfalls noch einmal antreten will, ist besorgniserregend. Seine Umfragewerte sind miserabel. Nur die Vizepräsidentin ist noch unbeliebter. Die Wirtschaftsdaten und die Inflation sind alarmierend.

Es hat einen Grund, dass die Demokraten konsequent von «insurrection» sprechen: In Abschnitt III des 14. Zusatzartikels der Verfassung findet sich nämlich eine Bestimmung, wonach, wer an einer insurrection teilgenommen hat oder sie begünstigte, für öffentliche Ämter nicht mehr wählbar ist.

Nun muss man wissen, dass dieser 1868 unter dem Einfluss des Bürgerkriegs erlassene Passus seit 1871 nie mehr angewendet wurde. Es jetzt zu tun, liefe auf eine unzulässige Verharmlosung des Bürgerkriegs mit nahezu 800.000 Toten und seiner Folgen hinaus. Die Bestimmung trat gerade einmal drei Jahre nach der Ermordung von Präsident Abraham Lincoln in Kraft. Auf den Strassen tummelten sich haufenweise besiegte und erniedrigte Demokraten, die sich mit der Abschaffung der Sklaverei nicht abfinden wollten und sich unter anderem mit der Gründung des Geheimbundes Ku-Klux-Klan dagegen zur Wehr setzten.

Nun kennt man auch in den USA das Konzept der Retourkutsche. Sollten die Republikaner im November eine Mehrheit im Haus erlangen, werden sie ihr eigenes Hearing veranstalten. Ob damit der Demokratie und der politischen Kultur gedient ist, ist freilich eine andere Frage.

Die 3 Top-Kommentare zu "Die Furcht der US-Demokraten vor Trump muss enorm sein. Um ihn an einer Präsidentschaftskandidatur zu hindern, ist ihnen jedes Mittel recht – auch die Aushebelung des Rechtsstaats"
  • gemartinet

    Der letzte Satz lässt aufhorchen: sollten die tatsächlichen und längst bewiesene Verbrechen von Hunter Biden, in welchen auch Vater Joe involviert ist, unbestraft bleiben? Und das ist nur der Anfang, der Sumpf muss trocken gelegt werden!

  • Edmo

    Natürlich fürchten sich die Demokraten vor Trump. Noch viel mehr fürchtet sich Nancy Pelosi vor der Wahrheit. Sie hat persönlich entschieden, keine Soldaten der Nationalgarde anzufordern. Bilder und Videos vom 6. Januar 2021 zeigen Polizisten, die den Demonstranten den Weg in Richtung Kapitol ebneten und nicht etwa versperrten. Würde man genauer hinschauen, käme wohl erneut Pelosi als Strippenzieherin in den Fokus. Der Vorwurf einer 'insurrection' an Trump ist lächerlich.

  • Meinrad Odermatt

    Wenn Sie Demokratie wollen, halten Sie an Ihrer Souveränität fest. Wenn Sie Frieden wollen, lieben Sie ihre Nation. Kluge Führer stellen immer das Wohlergehen ihres eigenen Volkes und ihres eigenen Landes an die erste Stelle. Die Zukunft gehört nicht den Globalisten. Die Zukunft gehört den Patrioten. Die Zukunft gehört souveränen und unabhängigen Nationen, die ihre Bürger schützen, ihre Nachbarn respektieren und die Unterschiede ehren, die jedes Land zu etwas Besonderem und Einzigartigem machen.