Nationalbankpräsident Thomas Jordan steigt mit der Geldpolitik wie viele seiner Kollegen jetzt die Treppe hoch, um die Inflation zu bekämpfen; er erhöht den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte. Kurz vorher hat sein Kollege Jerome Powell von der US-Notenbank Fed eine gleiche Bewegung gemacht.

Powell ist allerdings schon viel weiter oben, bei über 3 Prozent, dies nach der vierten Stufe. Jordan ist nach seinem zweiten Schritt erst von minus 0,25 auf plus 0,5 Prozent gekommen.

Das passt aber etwa zur Teuerungslage: In den USA übertrifft die Inflation bereits 8 Prozent, in der Schweiz ist sie bei 3,5 Prozent. Sind also beide Zinsschritte im Grunde etwa gleich in ihrer Dimension?

Nein. Der Fed-Entscheid liess die Börsenkurse absacken, weil pessimistische Investoren von den höheren Zinsen nun eine Bremsung der Konjunktur erwarten.

In der Schweiz dagegen wird die Zinserhöhung wie eine Befreiung begrüsst, weil die Nulllinie durchschritten wird. Endlich sind wir die Negativzinsen los!

Viele positive Kommentare prägten die öffentliche Stimmung: Endlich Erleichterung für die Pensionskassen, Sparer erhalten wieder eine Perspektive, Investoren eine bessere Orientierung etc.

Dabei liegt der Zins noch deutlich unter der Inflation, real minus.

Und brisant ist vor allem: Kommt jetzt das Negativzins-Regime einfach so schlank davon? Aus den Augen, aus dem Sinn? Muss Jordans Equipe keine Rechenschaft ablegen über Kosten und Nutzen sowie Rechtmässigkeit dieses riesigen Experiments?

Jetzt, da es vorbei ist, könnte man das Ganze doch etwas unabhängiger von Interessenlagen beurteilen.

Immerhin hat die Nationalbank dabei über zehn Milliarden Franken an Negativzinsen aus der Wirtschaft gezogen, viel Substanz. Da möchte man doch wissen, was es gebracht hat.

Die Nationalbank hat ja direkt auf Vermögen zugegriffen, fast in der Art eines Steuereintreibers, eines Inkasso-Dienstes, viele Franken konfisziert, die Banken dafür eingespannt, ohne dass man dies in der Politik und Gesetzgebung gross diskutierte oder genehmigte.

Die Aufarbeitung ist umso wichtiger, als nun die Zukunft zu regeln ist. Jordan sagte am Donnerstag: «Der Negativzins wird auch zukünftig ein wichtiges geldpolitisches Instrument bleiben, das wir nötigenfalls einsetzen werden.» Soll diese Möglichkeit wirklich einfach so offenstehen? Bei aller Euphorie über den Wegfall der Negativzinsen sollte man die nüchterne Analyse nicht vergessen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Die Nationalbank steigt aus den Negativzinsen aus – jetzt sollte man endlich genau schauen, was das Experiment überhaupt gebracht hat"
  • reto ursch

    Ausser eine gefährlich und staatsbedrohend hohe SNB-Bilanz (kapp das 4-faches des BIP) hat diese Übung bis anhin rein gar nichts gebracht und künftig, im bestem Falle, ein blaues Auge und reichlich schmerzliche Erfahrungen.

  • Stefan Christen

    Bei den Null- und Negativzinsen ging es nie um das, was offiziell mitgeteilt wurde, sondern darum, dass überschuldete Staaten und Unternehmen die Zinsen weiter bezahlen und sogar neue Schulden machen können. Damit hat man das Leben des fiat-Finanzsystem erfolgreich um 10 Jahre verlängert. Jetzt erhöhen die Zentralbanken weltweit die Zinsen bei viel höheren Schulden. Die Folgen werden das Eintauchen in eine Depression und Pleiten sein - und danach das Ende des fiat-Geldsystems.

  • Alpensturm

    Ich kritisiere das Zentralbankenkartell mit Sitz in Basel (BIZ) schon lange. Die Nationalbank hat viel zu viel Macht, die politisch zu fest entkoppelt ist von unserer Demokratie. Es gibt keinen Grund, warum eine private Bank mit der Macht, Geld aus dem Nichts zu schöpfen und Zinsen darauf zu kassieren, ausgestattet ist. Wir sollten das Nationalbankgesetz kippen und diese Machen dem Staat, als uns selber, zurückgeben. Meine Meinung.