Der Zustand der russischen Armee sei «desolat», die Moral «zerrüttet», heisst es in den Medien. In den Schützengräben herrsche «Frustration».
Stimmt das wirklich?

Zuerst zur Mobilmachung: Aktuell versuchen die Russen möglichst viele Freiwillige anzuwerben. Mit viel Geld, in ganz Russland, in allen 85 Föderationsgebieten.

Putin rekrutiert offensichtlich auch aus Strafkolonien, aus Gefängnissen. Mit attraktiven Angeboten.

Er bleibt allerdings unterhalb der Generalmobilmachung, weshalb er wenig Auswahl hat.

Er muss nehmen, was da ist. Heisst: Soldaten aus armen Gegenden, für die die mehreren Tausend Euro, die sie kriegen, eine faszinierend hohe Summe sind.

Das Kriegsszenario, das sie erwartet, ist aber brutal: Wir haben Kämpfe insbesondere in den urbanen Zentren und Regionen, Mann gegen Mann. Erbarmungslos.

Im Donbass gehen die Russen mit einer Feuerwalze vor. Langsam, auch um eigene Verluste zu minimieren, aber stetig, angepasst an das Tempo der mechanisierten Infanterie.

Wir haben Szenarien wie im Ersten Weltkrieg, wo das Artillerie-Feuer die Soldaten einfach platt schiesst – auf beiden Seiten. Das demoralisiert, klar sind die Soldaten in verzweifelten, schwierigen Situationen, die mürbe machen.

Der Krieg zieht sich schliesslich in die Länge. Die Kämpfe dauern bereits ein halbes Jahr; das ist etwas anderes, als man erwartet hat. Am Anfang dachte man an eine Art Blitzkrieg, mit einem regime change in Kiew, und fertig wäre die Sache.

Jetzt kommt es immer stärker zu einem irregulären Krieg mit konventionellen Anteilen – auch auf ukrainischer Seite: beide Seiten kämpfen zunehmend mit harten Bandagen, die Ukrainer mit hit-and-run-Einsätzen gegen die russischen Verbindungs- und Nachschubwege und zum Teil in einem Stellungskrieg mit starkem Artillerieeinsatz vor allem auf russischer Seite.

Das Szenario ist zunehmend in den urbanen Zentren und bewaldeten Regionen vergleichbar mit demjenigen, das westliche Soldaten im Irak erlebt haben, in Afghanistan, Vietnam, Syrien, Libyen: Es handelt sich für die Kämpfer um eine wahnsinnige Belastung. Das führt zu Auflösungserscheinungen.

Und es ist die einzige Chance, die die Ukrainer haben: den Krieg in die Länge zu ziehen. Ähnlich wie die Taliban oder früher die Mudschahedin in Afghanistan oder die Vietcong. Das kann auch eine militärische Grossmacht wie Russland, die weltweit stärkste Nuklearmacht und zweitgrösste Militärmacht, an ihre Grenzen bringen.

Dieser zunehmende Partisanen- und Guerilla-Krieg in Verbindung mit dem Kampf regulärer Kräfte ist für Soldaten das Extremste überhaupt: Je länger der Ukraine-Krieg dauert, desto schwieriger wird es für die Russen. Die laufen dann Gefahr – ähnlich wie die Amerikaner und ihre Verbündeten in Vietnam, im Irak, in Syrien oder jüngst in Afghanistan –, den Krieg letztlich zu verlieren.

Die Russen haben obendrein noch veraltetes Gerät im Einsatz, Defizite bei der Logistik, dem Nachschub an Betriebsstoff und Munition, von Ausstattung und Bekleidung – trotz dem vielen Geld, das Putin in die Modernisierung gesteckt hat.

Trotz aller schlimmen Berichte über die russische Armee darf man nicht verkennen, dass Putin derzeit klar die militärische Eskalations-Dominanz im Operationsgebiet hat. Ich denke, er braucht auch keine Generalmobilmachung und will sie durch massive Werbung von geeigneten Freiwilligen – darunter gefürchtete und kampferprobte tschetschenische Freiwillige – vermeiden.

Russland hat Luhansk besetzt. Es ist dabei, Donezk komplett zu besetzen. Moskaus Truppen sind westlich über den Dnjepr vorgedrungen in den Raum Cherson und bedrohen jetzt die Region um Odessa, dem wichtigsten ukrainischen Hafen für den Aussenhandel der Ukraine. Sollte es zur Besetzung auch dieser Region kommen, dann bliebe nur eine Art Rumpfukraine ohne Zugänge zum Meer übrig.

Trotz der offensichtlichen Missstände in seiner Armee hat Putin die militärische Oberhand und die Lage im Griff: Die Ukraine kämpft verzweifelt an einer 1200 Kilometer langen Frontlinie von Charkiw über Donezk bis Cherson, während die Russen bestimmen, wann, wo, wie und mit welchen Kräften sie angreifen.

Dazu kommt die weitgehende Luft- und Seeherrschaft Russlands.

Und die Verfügbarkeit viel grösserer personeller und materieller Ressourcen als die Ukraine – trotz westlicher Waffenlieferungen, die allerdings über rund 800 Kilometer von Polen bis in die Kampfgebiete – unter dem Feuer der Russen – verbracht werden müssen.

Fazit: Russland pfeift trotz erkennbarer Defizite militärisch alles andere als aus dem letzten Loch.

Protokolliert: Roman Zeller

Die 3 Top-Kommentare zu "Die russische Armee sei in «desolatem» Zustand, heisst es in den Medien. Ist das so? Nicht so schnell"
  • loku

    Es stellt sich die Frage von welchem Krieg sie berichten? Alle NATO-Kriege endeten in einem Desaster die betroffenen Nationen, denn sie waren auf Zerstörung aus. Sie schreiben von besetzt, Russland und der Donbass spricht von Befreiung. Ein Krieg wird nicht durch mehr Krieg, wie es der Westen inkl. Leider der Schweiz will, beendet, es braucht Verhandlungen und Versöhnung und nein, Russland wird den Donbass kaum mehr im Stich lassen, das muss allen bewusst sein.

  • kostas

    Wo ist eigentlich diese VdL Ihre grossen Sprüche sind verschwunden. Sie rudern zurück, aber haben die Paddeln vergessen. Alle sind still, läuft es nicht gut für eure Nazis? Ich genieße das, erst wenn alles Kaputt ist, wird diese grüne Plage für immer verschwinden und die gekaufte Presse auch mit. Der Winter naht liebe Kriegstreiber aus Deutschland und anderen Dummlaendern. Warme Socken anziehen und Zähne zusammenbeißen. "Das schafft Ihr".

  • beograd

    Die Medien haben sich zu kompletten Lügnern und Manipulatoren entwickelt. Es ist wichtig, dass sie aus Schafen noch grössere Schafe machen. Wenn die russische Armee schwach wäre, hätte Russland vor langer Zeit nicht mehr existiert. Wir haben herausgefunden, was über Cov 19. verborgen war, und wir werden alle Lügen und den "Einfluss" der Menschen auf das Klima herausfinden. Das Ausschalten der Weihnachtsbeleuchtung ist ein weiterer Schlag gegen Tradition und Religion, wie unten C19 task.