Ob die 750 Europa-Parlamentarier wussten, was sie da taten, als sie am späten Dienstagabend Verhandlungen über einen Beitritt der Ukraine zur EU zustimmten? Möglicherweise war nicht allen Artikel 42, Absatz 7 des Vertrages der Europäischen Union geläufig. Dort steht klipp und klar: «Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen.» Und: «Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nato eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.»

Die Übersetzung für Nicht-Diplomaten lautet: Kommt es zu einem Angriff auf ein Mitgliedsland der EU, müssen die anderen einspringen mit allem, was sie aufbieten können – also auch mit Soldaten und Waffen. Das Vorgehen muss mit der Nato abgestimmt sein. Österreich hat in diese sogenannte Beistandsklausel aus dem Jahr 2009 noch einen Satz hineingeschmuggelt, der da heisst: «Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.» Damit sind EU-Länder wie eben Österreich, das sich selbst als neutral bezeichnet, raus aus der Nummer. Die anderen aber nicht.
Im Gegenteil. Nach den Terrorattentaten in Frankreich im Jahr 2015 zog das Land die Beistandsklausel nach Artikel 42, worauf sich EU-Mitgliedstaaten bereit erklärten, beispielsweise Militäreinsätze gegen Terroristen in Syrien zu unternehmen. Das EU-Parlament verabschiedete damals einen förmlichen Beschluss. Darin steht: Die Aktivierung der Klausel sei eine Gelegenheit, «die Basis für eine starke und nachhaltige europäische Verteidigungsunion zu schaffen».

Vor diesem Hintergrund gibt es drei Möglichkeiten, warum die EU-Abgeordneten jetzt die Beitritts-Debatte für die Ukraine eröffnen.

Erstens: Sie haben die Beistandsklausel vergessen.

Zweitens: Sie kennen sie, meinen die Verhandlungen aber nicht ernst.

Drittens: Sie wollen sich auf einen Krieg einlassen.

Überzeugend ist keine dieser drei Möglichkeiten. Offen ist auch, wie das auf Putin wirkt.

Die 3 Top-Kommentare zu "Ein Beitritt der Ukraine zur EU beinhaltet die Pflicht der EU-Länder, militärischen Beistand zu leisten. Warum haben die EU-Abgeordneten ausgerechnet jetzt die Beitritts-Debatte für die Ukraine eröffnet?"
  • dakrum

    Marlies Darum verstehe ich den BR nicht, dass er die Schweizer Neutralität auf 's Spiel setzt und am liebsten noch Mitglied in diesem korrupten Haufen sein möchte

  • Pierrotlunaire

    Beitrittsverhandlungen mit der Unkraine vonseiten der EU ist wohl die dümmst mögliche Handlungsweise während Kampfhandlungen Russland-Ukraine, deren einer Grund für Putin gerade die Nähe der Ukraine zur EU ist. Putin wird das als Provokation bewerten. Dieses lusche EU-Politpersonal hat das geschichtliche und realpolitische Verständnis von Amöben. Es ist wirklich zutiefst verstörend, zu erleben, dass diese Luschen mit dem Leben der west-europäischen Menschen vabanque spielen.

  • mnuenlist

    Die EU hat sich schon einige Schnitzer geleistet, jetzt wäre es das dümmste was da passiert. Ich glaube die USA stehen da gewaltig dahinter und machen Dampf, um gleich noch der UNO Beitritt abzuschließen. Europa rennt ins Verderben !