0.25 Uhr GMT: Die grösste Tenniskarriere endet mitten in der Nacht. Und das Wasser fliesst in der O2-Arena in London quasi auf Knopfdruck.

Der Pegelstand auf dem Centre-Court entspricht demjenigen der Themse nach mehrwöchigem Dauerregen.

Mutter Lynette ringt um Fassung. Ehefrau Mirka vergiesst kübelweise Tränen. Rafael Nadal weint ebenso hemmungslos. Sogar das griechische Raubein Stefanos Tsitsipas guckt mit glasigem Blick in die Runde.

Und Roger Federer selber heult (fast) wie ein Schlosshund.

Stammte die Inszenierung aus Hollywood, man würde sie vermutlich für leicht übertrieben halten. Doch in diesem Fall passt es. Das Publikum erhebt sich zu minutenlangen Ovationen. Teamkollegen und Gegner verneigen sich vor dem Maestro.

Dass er an der Seite seines Lieblingsrivalen Rafael Nadal das letzte Spiel der Karriere gegen das amerikanische Doppel Jack Sock / Frances Tiafoe verliert, ist höchstens eine Randnotiz. Denn hier geht es nicht in erster Linie um Sport – sondern um das Goodbye der prägenden Persönlichkeit des Tennissports in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

Dann tritt Roger Federer vors Mikrofon: «Es war ein wundervoller Tag. Die Partie war toll, ich kann nicht glücklicher sein. Es fühlt sich wie eine Feier an, und genau darauf habe ich gehofft. Danke.»

Immer wieder überwältigen die Gefühle den Baselbieter: «In meinen Vorstellungen war ich in diesem Moment nie fähig, zu reden, also mache ich es schon besser als gedacht.»

Das Publikum lacht.

Es ist ein willkommener Moment der Auflockerung in einem Schauspiel, das auch etwas Groteskes hat. Schliesslich ist niemand gestorben – und die Staatstrauer in England hat einen anderen Grund als den Rücktritt eines Sportlers.

Doch was ist an Roger Federer schon normal? 20 Grand-Slam-Titel, 103 Siege auf der ATP-Tour, 310 Wochen die Nummer eins. Das sind fast sechs Jahre. 130,59 Millionen Dollar Preisgeld in 24 Jahren Profitennis – und ein Mehrfaches an Werbeeinnahmen.

Roger Federer dürfte der erste Tennisspieler werden, der die Milliarden-Marke knackt. Doch dies spielt in diesem Moment keine Rolle.

Am Laver Cup verabschiedet sich der grösste Schweizer Sportler der Geschichte von der grossen Bühne. Wir werden ihn vermissen.

Einen solchen Champion in einer globalen Sportart wird die Schweiz so schnell nicht mehr erleben.

Danke, Roger!