Recep Tayyip Erdogan baut im Nahen Osten neue Brücken, die er einst mutwillig zerstört hat. Er bemüht sich um eine Annäherung an regionale Rivalen wie Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Sogar Israel gehört neuerdings zu den Ländern, zu denen er Beziehungen pflegen will.

Jetzt versucht er, sich auch mit Saudi-Arabien gut zu stellen. Deshalb ist die Türkei bereit, dass die mutmasslichen Mörder von Jamal Kashoggi vor ein Gericht in Saudi-Arabien gestellt werden. Bisher hatte Erdogan darauf bestanden, dass ihnen in der Türkei der Prozess gemacht werde. Eine Renaissance der Beziehungen zwischen Ankara und Riad würde indessen voraussetzen, dass die Hintergründe über den Mord von Kashoggi in Saudi-Arabien abgeklärt werden können, fordert Riad.

Die Türkei kommt dieser Forderung nun nach. Kashoggi war vor vier Jahren im saudi-arabischen Konsulat ermordet worden. Sicherheitsberater von Kronprinz Mohammed bin Salman, dem De-facto-Herrscher des Königreichs, sollen den Mord im Auftrag bin Salmans geplant und ausgeführt haben, so die Anklage türkischer Strafverfolger.

Kairo, Abu Dhabi, Jerusalem und jetzt Riad: Erdogan will mit seinem Versöhnungskurs im Nahen Osten die strategische Isolation seines Landes beenden. Dafür hat er handfeste wirtschaftliche Gründe. Im nächsten Jahr wird gewählt. Erdogans ökonomischer Leistungsausweis ist kläglich. Hyperinflation und Massenarbeitslosigkeit schwächen seinen Rückhalt beim Mittelstand. Der Krieg in der Ukraine verschlimmert die Lage: Jeder vierte Tourist kam bisher entweder aus Russland oder aus der Ukraine.

Die wiedergewonnenen Freunde im Orient, hofft Erdogan, werden türkische Produkte kaufen, den türkischen Fremdenverkehr beleben – und dem Land auch mit Finanzspritzen unter die Arme greifen.