Frankreich - Marokko: Das ist auch ein Duell von politischer Sprengkraft.

Erst seit dem 2. März 1956 ist Marokko von der früheren Kolonialmacht unabhängig – aber emotional, kulturell und wirtschaftlich bis heute verbunden. Gemäss Schätzungen sollen 1,2 Millionen Marokkaner in Frankreich leben, die meisten in den banlieues von Paris und Marseille. Hier sind und waren es vor allem Jugendliche aus dem gesamten Maghreb, die zuletzt mit Protesten gegen die wirtschaftliche Situation und die Staatsmacht auf sich aufmerksam machten.

In Doha wurde dieses zwiespältige Verhältnis im Al-Bayt-Stadion von Beginn an deutlich sichtbar – beziehungsweise hörbar. Die marokkanische Übermacht unter den 60.000 Zuschauern begleitete jeden französischen Ballkontakt mit einem gellenden Pfeifkonzert. Es war nicht eben die feine Art und der Affiche eines WM-Halbfinals unwürdig.

Dabei hatten die Marokkaner fussballerisch durchaus etwas zu bieten. Zwar gingen die Franzosen bereits in der 5. Minute durch Theo Hernandez 1:0 in Führung, doch danach zeigten die Nordafrikaner immer wieder, dass sie nicht nur die Kunst des Verteidigens und des rustikalen Abräumens vorzüglich beherrschen. Diverse Male drangen sie mit Schwung und Tempo in die französische Platzhälfte ein. Einem Torerfolg am nächsten kamen sie in der 44. Minute, als Jawad El Yamiq mit einem artistischen Fallrückzieher am Pfosten scheiterte. Aber auch die Franzosen besassen diverse vorzügliche Chancen auf den zweiten Treffer – die beste durch Olivier Giroud in der 17. Minute, als dessen Geschoss ebenfalls vom Pfosten zurückprallte.

Doch das Spiel entwickelte sich trotz der Führung nicht im Sinne der Franzosen: Marokko hatte mehr Ballbesitz und ein deutliches Übergewicht in den Zweikämpfen – allerdings oft an der Grenze der Regularität.

Vor allem der französische Superstar Kylian Mbappé wurde mehr als einmal mit Brachialgewalt umgesäbelt. Gleichzeitig wirkte Frankreich gefährlich nonchalant. Doch letztlich ging die Rechnung auf. Der eingewechselte Randal Kolo Muani erhöhte auf 2:0. Marokko war geschlagen.

Der Favorit gewann – und greift am Sonntag nach dem dritten WM-Titel. Im Weg steht allerdings ein Fussball-Riese: der 1,70 Zentimeter grosse Lionel Messi.