Willkommen im Land der Waschlappen, Wunschdenker und mentalen Wackeldackel!

Im Land, in dem Kinderhörspiele nur mit amtlicher Vorwarnung zu geniessen sind.

Die Bestseller-Serie TKKG (14 Mio. verkaufte Bücher, 33 Mio. verkaufte Tonträger) zum Beispiel «kann diskriminierende Darstellungen enthalten, die in der Gesellschaft zu wenig in Frage gestellt wurden», heisst es im Disclaimer des vertreibenden Europa-Verlags.

Und damit es auch der Letzte begreift: «Jegliche Diskriminierung ist, damals wie heute, falsch.»

Man habe sich dennoch entschlossen, das Hörspiel in der Originalversion zu belassen «und die kulturellen Versäumnisse der Vergangenheit nicht zu verbergen».

Das ist sehr grosszügig, wäre es doch längst überfällig, die diskriminierend angelegte Figur des Gretchens in Goethes «Faust» endlich einer zeitgemässen Aufwertung zu unterziehen. Und auch das Hildebrandslied oder Walther von der Vogelweides Minne strotzen nur so von «kulturellen Versäumnissen»!

Wir sind angekommen in einer Zeit, in der ein Verlag vermeintlich Schädliches vertreibt, vor dem Konsum warnt, als seien harmlose Kinderkrimis gefährliche Genussmittel («Rauchen kann tödlich sein» – was im Übrigen auch jeder selbst weiss und trotzdem frei entscheidet).

Vor allem aber gibt es inzwischen offenbar wieder Instanzen, die berechtigt sind, den aktuellen kulturellen und moralischen Konsens der Gesellschaft zu definieren und vor möglichen Abweichungen (mangelnder Linientreue) zu warnen, weil etwa TKKG-Team-Mitglied «Klösschen» (K) seinen Spitzenamen mit Blick auf seine Figur und Kondition (Warnung! Warnung!: fat-shaming!) erhielt oder Gabis (G) bezauberndes Aussehen mehrfach thematisiert wird.

Ausserdem muss Gabi bei heiklen Operationen mitunter entwürdigend Schmiere stehen, währen Athlet Tim (T) mutig vorausgeht. Geht gar nicht!

Es sind solche vermeintlichen Petitessen, die ahnen lassen, zwischen welchen pädagogischen Leitplanken Autoren heute unterwegs sein müssen und dass unpassende Realität selbstverständlich zurücktreten muss hinter gesellschaftspolitischen Wunschbildern, damit die «richtige» Erziehung nicht in den unzuverlässigen Händen womöglich bockiger Eltern verbleibt.

Vorwärts immer, rückwärts nimmer!

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "«Kann diskriminierende Darstellungen enthalten»: Bestseller-Serie TKKG ist nur noch mit amtlicher Vorwarnung zu geniessen – für bockige Eltern und die «richtige» Kinder-Erziehung"
  • Turicum72

    Wenn diese ganze Geschichte nicht so traurig wäre, müsste ich laut darüber lachen. Wo sind wir ankekommen, wenn nicht mal eine Hand voll Menschen (wahrscheinlicht nicht mal eine Priese der genannten), die mehrheit so negativ beeinflussen kann (darf)? Das gleiche gilt übrigens auch für die Regenbogenfraktion.

  • Mathilda63

    Was müssen wir Älteren für Unmenschen sein. Unsere geistige Kindheitsnahrung bestand aus toxischen Schriften: Wilhelm Busch (Max und Moritz), Enid Blyton (5 Freunde, Die schwarze 7, Hanni und Nanni, ...), Karl May, später sogar Goethes Faust und viele Klassiker, usw.. Und niemand traut uns zu, dass wir seit unserem 6. Lebensjahr einiges dazugelernt und als Erwachsene eine andere Sicht auf die eigene Kindheit und die Lektüren gewonnen haben. Nein, wir müssen uns die Welt erklären lassen.

  • aliasmailster

    Die Irrenanstalten haben "Tag der offenen Tür", die Psychopathen sitzen in den Regierungen und Ämtern, die Pfleger in Gewahrsam. Es ist unglaublich, hätte man mir das vor 30 Jahren erzählt, was heute "Alltag" ist - ich hätte mein Gegenüber in einem Lachkrampf als Spinner wahrgenommen.