Es war in den 28 Jahren im Parlament nie Ueli Giezendanners Spezialität, um den heissen Brei herumzureden. Der 68-jährige Aargauer steht für Unternehmertum, Liberalismus – und eine Politik des gesunden Menschenverstands: fadengrad und ungeschminkt. Vor zweieinhalb Jahren hat er seinen Sitz im Nationalrat geräumt – und ihn (quasi) an seinen Sohn Benjamin übergeben. Deshalb habe er noch immer ein Ohr im Parlament, sagt er lachend.

Aus seinem Herzen macht Giezendanner keine Mördergrube und spricht zu den dringendsten politischen Themen Klartext und zeigt auch der eigenen Partei (SVP) die gelbe Karte. In der Pandemie-Bewältigung habe es die Schweiz nicht so schlecht gemacht wie von vielen behauptet: «Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.» Die Anhäufung von Schulden gebe ihm allerdings zu denken: «Da machten es sich einige Leute doch etwas gar einfach.»

Auch im Ukraine-Konflikt bezieht er Position: «Ich verurteile Putin aufs Schärfste. Er gehört vor ein Kriegsgericht. Niemand hat das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden.» Differenziert sieht er die Rolle des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: «Er ist ein grossartiger Schauspieler – und stellt sich gekonnt als Opfer dar.»

Im Gegensatz zu vielen SVP-Exponenten will Giezendanner Bundespräsident Ignazio Cassis für den Auftritt am vergangenen Samstag am Rande der Friedens-Demo auf dem Bundesplatz nicht kritisieren: «Er hat nicht die Neutralität verletzt, sondern Solidarität mit der Ukraine bewiesen.»

Grundsätzlich sagt Giezendanner aber klipp und klar: «Die Neutralität ist unantastbar – und sie würde uns die Möglichkeit geben, eine wichtige Vermittler-Rolle zu übernehmen.» Dass nun die diplomatischen Verhandlungen in der Türkei bei Recep Erdogan stattfinden, gebe ihm zu denken.

Ueli Giezendanner: «Das wäre eigentlich die Aufgabe der Schweiz. Niemand könnte eine bessere Plattform für Friedensgespräche bieten.»