So einig sich in Deutschland Behörden, Regierung und Wirtschaft sind, was die Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine anbelangt, so uneinig sind sie sich über die Konsequenzen: Bei der Verfolgung der Oligarchen, die auf der Sanktionsliste des Westens stehen, herrscht Kompetenzwirrwarr. Und die deutschen Unternehmen dürfen machen, was sie wollen. Eine einheitliche Linie, wie sie mit ihrem Russland-Geschäft umgehen, gibt es nicht.

Die Zuständigkeit für die Sanktionen gegen Oligarchen schieben die Verantwortlichen hin und her. Auf die Frage, ob in Deutschland bereits Vermögenswerte eingefroren oder beschlagnahmt wurden, gibt es keine Auskunft. Das immer wieder als Erstes genannte, von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium teilt auf Anfrage mit: In der Bundesregierung, in den Ländern und den zuständigen Vollzugs- und Ermittlungsbehörden gebe es «etablierte Strukturen und Prozesse». Diese würden jetzt «zügig auf eine effektive und effiziente Umsetzung der Russland-Sanktionen ausgerichtet».

Teil dieser angeblich effizienten Umsetzung sind Bundesbank, Zoll, Polizei, Staatsanwaltschaft und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Sie alle können aber nur loslegen, wenn Vermögenswerte sanktionierter Oligarchen in Deutschland überhaupt zu identifizieren sind. Die wahren Eigentümer von Flugzeugen, Luxusjachten oder Immobilien verstecken sich aber oft hinter komplizierten Unternehmenskonstruktionen.

Dazu kommt die Haltung der Unternehmen, die in Russland wirklich etwas zu verlieren haben: Der Grosshandelskonzern Metro hält genauso am Russland-Geschäft fest wie der Waschmittelriese Henkel. Der Chemiegigant Bayer bleibt in Russland genauso wie der Gipshersteller Knauf. Die Liste ist lang, die offizielle Begründung der Unternehmen zu ihrer Haltung kurz: Sie wollen russische Mitarbeiter und Kunden nicht im Stich lassen.

Schliesslich ist es auch Deutschland, das sich wegen seiner starken Abhängigkeit von russischen Energielieferungen sperrt, wirklich alle Finanzströme zu russischen Lieferanten zu stoppen. Unterm Strich bleibt damit der Eindruck: Das grösste Land der EU stellt in Sachen Sanktionen gegen Russland auch das grösste Leck der EU dar.