Das Altpapier gebündelt und geschnürt am Strassenrand deponieren – das erwarten die Städte von den Einwohnern, damit sie den Rohstoff reibungslos abholen können. Ich freue mich regelmässig, wenn ich vor Häusern hohe Stapel sehe. Es zeigt, dass immer noch viele Menschen gedruckte Zeitungen und Zeitschriften lesen. Die Stadt Zürich bittet, das Altpapier erst am (vierzehntäglichen) Sammeltag vor 7 Uhr bereitzustellen.
Doch die meisten tun das schon am Vorabend. Auch ich. Jetzt haben wir festgestellt, dass am Morgen nur noch ein, zwei Bündel bereitliegen. Der Grossteil des Papiers wurde in der Nacht «abgeholt». Allerdings nicht von den städtischen Sammlern. Sondern von spitzbübischen Geschäftlimachern. Der Klau lohnt sich für sie: Das Papier ist so rar wie selten zuvor. Papierhersteller fighten um den Rohstoff.
Das hat in ganz Europa die Preise in die Höhe getrieben. Bis zu 150 Franken – fast dreimal mehr als vor einem Jahr – werden heute für eine Tonne Altpapier bezahlt. Eine solche hat rasch beisammen, wer in den Nächten vor den Sammeltagen fleissig unterwegs ist. Der Päckliboom während der Pandemie verschlingt riesige Mengen an Kartonschachteln. Für deren Produktion wird immer mehr Altpapier benötigt.
Nur fällt von diesem weniger an. Weil weniger Werbemittel gedruckt werden. Und der Umfang der Zeitungen abgenommen hat. Kollegen aus Bern und Basel haben mir auf Nachfrage bestätigt, dass es auch in ihren Städten nächtlichen Papierklau gibt.
Solange aus Altpapier Neues hergestellt wird, kümmert es mich wenig, wer es wegholt. Gerne etwas mehr wüsste ich aber schon über diese Schlitzohren. Sind es vielleicht Sans-Papiers, die etwas falsch verstanden haben?