Über 1000 Persönlichkeiten haben bisher den Appell unterschrieben, die gigantischen Artificial-Intelligence-Experimente rund um künstlich intelligente Systeme zu unterbrechen. Grund: Solange niemand – nicht einmal die Schöpfer – die Maschinen versteht, seien die Risiken zu gross, dass die Systeme ausser Kontrolle geraten. Wie dokumentieren den Aufruf im Wortlaut und übersetzt. Die Redaktion.

Künstlich intelligente Systeme mit einer dem Menschen ebenbürtigen Intelligenz können tiefgreifende Risiken für die Gesellschaft und die Menschheit darstellen, wie umfangreiche Forschungsarbeiten zeigen und von führenden KI-Labors anerkannt werden.

Wie in den weithin befürworteten Asilomar-KI-Grundsätzen dargelegt, könnte fortgeschrittene KI (Künstliche Intelligenz) einen tiefgreifenden Wandel in der Geschichte des Lebens auf der Erde darstellen und sollte mit entsprechender Sorgfalt und entsprechenden Ressourcen geplant und verwaltet werden.

Leider findet eine solche Planung und Verwaltung nicht statt, obwohl sich die KI-Labors in den letzten Monaten in einem ausser Kontrolle geratenen Wettlauf um die Entwicklung und den Einsatz immer leistungsfähigerer digitaler Köpfe befunden haben, die niemand – nicht einmal ihre Schöpfer – verstehen, vorhersagen oder zuverlässig kontrollieren kann.

Heutige KI-Systeme sind inzwischen bei allgemeinen Aufgaben mit Menschen konkurrenzfähig, und wir müssen uns fragen: Sollen wir zulassen, dass Maschinen unsere Informationskanäle mit Propaganda und Unwahrheiten überfluten? Sollen wir alle Jobs automatisieren, auch die erfüllenden? Sollten wir nicht-menschliche Intelligenzen entwickeln, die uns irgendwann zahlenmässig überlegen, überlisten, überflüssig machen und ersetzen könnten? Sollen wir den Verlust der Kontrolle über unsere Zivilisation riskieren?

Solche Entscheidungen dürfen nicht an nicht gewählte Technikführer delegiert werden. Leistungsstarke KI-Systeme sollten erst dann entwickelt werden, wenn wir sicher sind, dass ihre Auswirkungen positiv und ihre Risiken überschaubar sind. Dieses Vertrauen muss gut begründet sein und mit dem Ausmass der potenziellen Auswirkungen eines Systems zunehmen.

In der jüngsten Erklärung von OpenAI zu künstlicher allgemeiner Intelligenz heisst es: «Irgendwann könnte es wichtig sein, eine unabhängige Überprüfung einzuholen, bevor mit dem Training künftiger Systeme begonnen wird, und für die am weitesten fortgeschrittenen Bemühungen zu vereinbaren, die Wachstumsrate der für die Erstellung neuer Modelle verwendeten Daten zu begrenzen.»

Wir stimmen dem zu. Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen.

Deshalb fordern wir alle KI-Labors auf, das Training von KI-Systemen, die leistungsfähiger als GPT-4 sind, sofort für mindestens sechs Monate zu unterbrechen. Diese Pause sollte öffentlich und überprüfbar sein und alle wichtigen Akteure einbeziehen. Wenn eine solche Pause nicht schnell umgesetzt werden kann, sollten die Regierungen eingreifen und ein Moratorium verhängen.

KI-Labors und unabhängige Experten sollten diese Pause nutzen, um gemeinsam eine Reihe gemeinsamer Sicherheitsprotokolle für fortschrittliche KI-Designs und -Entwicklungen zu entwickeln und umzusetzen, die von unabhängigen externen Experten streng geprüft und überwacht werden. Diese Protokolle sollten gewährleisten, dass Systeme, die sich an sie halten, zweifelsfrei sicher sind. Dies bedeutet keine generelle Pause in der KI-Entwicklung, sondern lediglich eine Abkehr vom gefährlichen Wettlauf zu immer grösseren, unberechenbaren Black-Box-Modellen mit emergenten Fähigkeiten.

Die KI-Forschung und -Entwicklung sollte sich darauf konzentrieren, die heutigen leistungsstarken, hochmodernen Systeme genauer, sicherer, interpretierbarer, transparenter, robuster, abgestimmter, vertrauenswürdiger und loyaler zu machen.

Parallel dazu müssen die KI-Entwickler mit den politischen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um die Entwicklung robuster KI-Governance-Systeme drastisch zu beschleunigen.

Diese sollten zumindest Folgendes umfassen: neue und fähige Regulierungsbehörden, die sich speziell mit KI befassen; die Überwachung und Verfolgung hochleistungsfähiger KI-Systeme und grosser Pools von Rechenkapazitäten; Herkunfts- und Wasserzeichensysteme, die dabei helfen, echte von synthetischen Daten zu unterscheiden und Modelllecks zu verfolgen; ein robustes Prüfungs- und Zertifizierungssystem; die Haftung für durch KI verursachte Schäden; eine solide öffentliche Finanzierung der technischen KI-Sicherheitsforschung; und gut ausgestattete Institutionen zur Bewältigung der dramatischen wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen, die KI verursachen wird (insbesondere für die Demokratie).

Die Menschheit kann mit KI eine blühende Zukunft geniessen. Nachdem es uns gelungen ist, leistungsfähige KI-Systeme zu schaffen, können wir nun einen «KI-Sommer» geniessen, in dem wir die Früchte ernten, diese Systeme zum klaren Nutzen aller entwickeln und der Gesellschaft die Chance geben, sich anzupassen.

Bei anderen Technologien mit potenziell katastrophalen Auswirkungen auf die Gesellschaft hat die Gesellschaft eine Pause eingelegt, das können wir auch hier tun. Geniessen wir einen langen KI-Sommer und stürzen wir uns nicht unvorbereitet in den Herbst.

Die 3 Top-Kommentare zu "Öffentlicher Brief von namhaften Persönlichkeiten wie Elon Musk oder Yuval Harari: «Wir fordern alle Technologie-Labore dazu auf, die Entwicklung von Künstlich-Intelligente-Systemen sofort zu unterbrechen»"
  • lisi.mk

    Denn sie wissen nicht, was sie tun 🙈 und nun weltweit umfassende Richtlinien erarbeiten und alle halten sich brav dran und die Eliten koordinieren und kontrollieren die Entwicklung und Ausführung zum Schutz der Demokratie? Die Sache stinkt jetzt schon. Gewaltig.

  • Proxima Centauri

    Es ist allerhöchste Zeit für eine Denkpause ohne KI! Es ist nicht so sehr die künstliche Intelligenz, die uns gefährdet sondern die menschliche Dummheit. Die "künstliche Intelligenz" ist einfach ein Multiplikator letzterer. Wenn dies allerdings mit der potentiell apokalyptischen destruktiven Gewalt nuklearer Waffen einhergeht - ein Szenario, dessen Gefahr sich vor unseren Augen in real-time entfaltet - ist es wortwörtlich fünf Sekunden vor zwölf für einen Notstopp!

  • beat.schaller

    Es ist für mich nicht glaubwürdig, wenn Harari, der überzeugteste Schreier zu diesem Thema, der empathielose WEFler da mit dabei ist. Das wäre für den eine 180° Wende und die traue ich dem nicht zu. Vielleicht will er nur bremsen, weil er mit den anderen Frankensteins nicht mithalten kann. b.schaller