Österreichs Verfassungsgesetz zur immerwährenden Neutralität nach Schweizer Vorbild wurde am 26. Oktober 1955 beschlossen. Es war Bedingung der Sowjetunion für die Zustimmung zum Staatsvertrag, welcher Österreich die staatliche Unabhängigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg brachte. Freilich war die Sicherheit Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg niemals ernsthaft in Gefahr.

So konnte Österreich sein üppiges Sozialsystem auf Kosten der Landesverteidigung ausbauen. Das ging zumindest bis zum EU-Beitritt 1995 gut. Seitdem wird diskutiert, ob eine Annäherung an die Nato möglich ist oder doch die Neutralität behalten werden sollte. Bislang konnte man als sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer gut überleben.

Mit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine ist aber schnell klar geworden, dass Österreichs Regierung kein klares Sicherheitskonzept besitzt. So hat die Regierung praktisch über Nacht ihre neutralitätspolitische Zurückhaltung aufgegeben und sich sämtlichen Sanktionen des Westens, zumindest rhetorisch, angeschlossen. Die Regierungspartei ÖVP hat auch gleich Proponenten vorgeschickt, die einen Nato-Beitritt in den Raum gestellt haben. Dass dies nicht wirklich durchdacht war, sah man einen Tag später. Am Montag folgte prompt scharfe Kritik aus Moskau, worauf Kanzler Nehammer wieder zurückruderte und klarstellte, dass an der Neutralität nicht zu rütteln wäre.

Österreich muss sich nun, wie viele andere europäische Staaten, einer bitteren Realität stellen, nämlich, dass staatliche Souveränität strikt an die eigene Wehrfähigkeit gebunden ist, welche man nicht zum Nulltarif bekommt. Durch moralische Überlegenheitsgesten lässt sich der Machthaber in Moskau jedenfalls nicht beeindrucken.