Dass die ehemalige TV-Moderatorin Cyma Azyz neulich eine Modeschau organisiert hat, wäre kaum einen Beitrag wert. Die Veranstaltung fand indessen nicht in Paris oder New York statt, sondern in der Hauptstadt Saudi-Arabiens, dem Wüstenreich, das wegen seiner besonders strengen Auslegung des Islam bis vor kurzem als eines der konservativsten Länder der Welt galt.

Doch seit Kronprinz Mohammed bin Salman die radikal-religiösen Geistlichen weitgehend entmachtet hat, werden Schritt für Schritt Vorschriften gelockert oder abgeschafft, die Frauen bisher das Leben vergällt haben.

Dass sie sich vor vier Jahren endlich hinters Steuer setzen durften, war die erste Stufe auf dem Emanzipationspfad. Dann folgten Gesetze gegen die Geschlechter-Trennung, und erwachsenen Frauen wird ein unabhängiges Leben ermöglicht. Sie müssen nicht mehr für alles und jedes die Erlaubnis ihres Vaters oder anderer männlicher Verwandten einholen.

Mit der Befreiung der Frauen aus den Klauen der Sittenwächter verfolgt der Kronprinz ein konkretes Ziel: Ohne weibliche Mithilfe müsste der Umbau Saudi-Arabiens, den er bis 2030 anstrebt, scheitern. Bis in acht Jahren sollen Frauen 30 Prozent der Jobs belegen. Im Vergleich zu heute wäre das eine Verdoppelung.

Zu den sozialen Veränderungen gehören auch Modeschauen wie diejenige von Azyz: Die erste wurde im Jahr 2018 im privaten Rahmen durchgeführt, damals noch ohne Männer und ohne Kameras. Inzwischen sind die Events öffentlich, sie dürfen gefilmt und im Fernsehen oder im Internet gezeigt werden.

Und: Auch Männer sind zugelassen.

Mit ihrer Show plädiert Azyz zwar für eine «Renaissance der Abaya», des traditionellen Umhangs, der von Frauen über der normalen Kleidung getragen wird. Aber sie hat die schwarzen, unförmigen, alles umschliessenden Kleidungsstücke aus ihrer Kollektion verbannt.

Ihre Abayas sind modisch, schick, bunt und trendig, und sie lassen viel Raum für Individualität.

Mehr als das: Präsentiert werden die Abayas in Gegenwart von jungen Frauen, die so gar nicht dem traditionellen saudischen Rollenverhalten entsprechen: eine Extrem-Bergsteigerin, eine Boxtrainerin, eine Spitzen-Diplomatin, eine Unternehmerin – das seien «die neuen Vorbilder für Saudi-Araberinnen», hofft Azyz.