Ein Blick auf die Bankenstatistik zeigt, dass die ausstehenden US-Studentendarlehen seit der Finanzkrise 2007 förmlich explodiert sind. Von 116 Milliarden Dollar auf heute (September 2022) sage und schreibe 1484 Milliarden. Im Gegenzug sanken die übrigen privaten Konsumkredite zwar temporär und erreichten erst 2016 wieder das Niveau von Ende 2007. Heute liegen sie allerdings wieder um 27 Prozent über dem Höchststand vor der Finanzkrise.

Der Verdacht liegt nahe, dass viele amerikanische Familien Hypothekar- und Konsumkredite durch Studentendarlehen ersetzt haben. Diese werden grossenteils durch den Staat garantiert. Deshalb gewähren Banken solche Kredite gerne, denn damit sind für sie kaum Risiken verbunden. Von den ausstehenden Studiendarlehen entfallen 84 Prozent auf staatlich garantierte. Studiendarlehen auf eigenes Risiko haben die Banken seit 2009 hingegen auf noch 296 Milliarden halbiert. Sie haben einen Teil ihrer Risiken an den Staat abgeschoben.

Einmal mehr zeigt sich, dass Staatsinterventionen leider oft auch missbraucht werden. Heute verlässt jeder zweite US-Student die Hochschule mit Schulden, im Durchschnitt sind es rund 29.000 Dollar. Insgesamt sitzen über 43 Millionen Amerikaner auf staatlichen Studentendarlehen. Die Hälfte der Darlehen liegt allerdings unter 20.000 Dollar.

Ob diese staatlich garantierten Kredite allerdings für Studienzwecke oder für andere Verbindlichkeiten der Familien in Anspruch genommen wurden, lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Die Studiendarlehen machen heute über 6 Prozent der Aktiven aller Geschäftsbanken aus. Oder anders ausgedrückt, sie betragen über 50 Prozent im Vergleich zu allen Kommerzkrediten an Unternehmen. Das ist ein offensichtliches Missverhältnis und bestärkt den Missbrauchsverdacht.

Man stelle sich vor, unsere Studenten in der Schweiz hätten in diesem Ausmass Studiendarlehen aufgenommen! Und nun soll der Steuerzahler dafür zur Kasse gebeten werden.

Die Biden-Regierung möchte einen Teil der Kreditschulden von Studentinnen und Studenten erlassen. Dies hat sie im August 2022 angekündigt. Mit dem Schulden-Erlass beabsichtigt Biden eines seiner Wahlversprechen einzulösen. Die Umsetzung könnte rund 400 Milliarden Dollar kosten. Gegen diesen Plan haben sechs republikanisch geführte Bundesstaaten Klage eingereicht. Die Bundesstaaten, die sich wehren, werfen der Regierung vor, die Corona-Pandemie als Vorwand zu missbrauchen, um die Schulden zu erlassen. Dies sei ungerecht gegenüber Amerikanerinnen und Amerikanern, die kein Studium absolviert hätten.

Und siehe da, am 11. November 2022 erklärte ein US-Distrikt-Gericht in Texas den Schuldenerlass-Plan als verfassungswidrig, weil dieser vom Kongress nicht bewilligt worden war. Richter Mark Pittman bezeichnete ihn als eine der grössten Kompetenz-Überschreitungen in der Geschichte Amerikas. Dass Biden zurückgepfiffen wird, ist dennoch unbedeutend geworden, denn die Aktion diente ja in erster Linie dazu, bei den verschuldeten unter Dreissigjährigen mit Blick auf die Midterm-Wahlen zu punkten. Aber selbstverständlich will die Bundesverwaltung dieses Urteil anfechten, weil sie das Gericht als republikanisch dominiert erachtet.