Irgendwann gewöhnte man sich an das Bild. In der St. Galler Innenstadt tauchten jeweils freitags grosse Gruppen von Jugendlichen auf, die vor dem nahenden Ende der Welt warnten. Im Geist von Greta Thunberg verzichteten die Schüler für einige Stunden auf die Bildung, um Druck auf die Politik zu machen.

Die SVP reagierte. Sie reichte im St. Galler Kantonsrat die Motion «Präsenzverpflichtung beim Mittelschulbesuch» ein. Damit sollte das Mittelschulgesetz um eine Art Streikverbot erweitert werden. Eine Mehrheit wollte das nicht. Mit 79 Nein zu 35 Ja bei einer Enthaltung lehnte das Parlament die sogenannte Lex Klimastreik ab. Damit bleibt es weiterhin dem Rektorat der Kantonsschulen überlassen, wie es mit den Absenzen umgeht. Gewöhnungsbedürftig waren die Argumente gegen das Streikverbot. Es sei ein «Eingriff in die Grundrechte» der Schüler.

In den letzten Jahren hatten die Parlamentarier bekanntlich jeweils kein Problem mit einer Einschränkung der Grundrechte, wenn es um die Abwehr eines Virus ging.

Zudem stellt sich die Frage: Was, wenn eine Gruppe von Schülern Lust hat, für oder gegen etwas anderes zu demonstrieren? Wie sähe es beispielsweise aus, wenn sie am Freitag gegen die explodierende Zuwanderung auf die Strasse gingen?

Eine grüne Kantonsrätin wehrte sich gegen den Gesetzesnachtrag mit der Begründung, selbständiges Denken gehöre zum Bildungsauftrag. Das dürfe man nicht verhindern.

Auch hier: Dieselben Leute halten wenig von «selbständigem Denken», wenn es sich gegen die offizielle Politik richtet. Dann träumen sie von einer Behörde, die festlegt, was wahr ist und was Fake News, und wünschen sich eine Zensur der anderen Meinung.