Er ist der Mann, der die grösste Geschichte des Tennisjahres 2022 schrieb – notabene ohne zu spielen.

Im Januar zog die Posse um die verhinderte Einreise des Serben Novak Djokovic zum Australian Open die Sportwelt in ihren Bann.

Grund für die eher groteske Story: Djokovic foutierte sich um die Einreise-Bestimmungen und verweigerte die Covid-Impfung. Daran hat sich ein halbes Jahr später nichts geändert.

Doch aufgrund der neuen pandemischen Lage darf der Serbe in Wimbledon auch ungeimpft teilnehmen – und er nutzt diesen Spielraum zum 21. Grand-Slam-Triumph.

In vier Sätzen bezwingt er im Final den Australier Nick Kyrgios. Den letzten Durchgang holt sich Djokovic im Tie-Break 7:3. Es ist sein vierter Sieg an der Church Road de suite – und vielleicht sein wichtigster.

Denn es war nach dem Viertelfinal-Out am French Open die einzige Möglichkeit für den früheren Weltranglistenersten, eines der vier Major-Turniere in diesem Jahr zu gewinnen. Denn am US Open ist «Nole» aufgrund seines Impfstatus nicht teilnahmeberechtigt.

Dies zeigt auch, in welchem Dilemma sich der Tennissport befindet: Er erlaubt es sich, eine seiner grössten Attraktionen bei den meisten Grossanlässen auf die «Strafbank» zu setzen.

Nicht so in Wimbledon.

Und dort zeigt Novak Djokovic, wer der Herr im Haus ist – und dies ausgerechnet gegen einen Spieler, der in den vergangenen zwei Wochen selber zum Spektakelmacher wurde und der einer der wenigen Alliierten von Impf-Verweigerer Djokovic ist: Nick Kyrgios.

Djokovic hatte dem Australier Anfang Woche geschrieben, er hoffe, ihn im Final wiederzusehen.

An seiner Medienkonferenz nach dem Halbfinal gegen Norrie sagte der Serbe: «Ich weiss nicht, ob man unser Verhältnis bereits als Männerfreundschaft bezeichnen kann. Aber seit dem Januar hat es sich definitiv verändert. Während meiner schwierigen Zeit in Australien war Nick einer der wenigen Spieler, die sich öffentlich für mich eingesetzt haben. Das ist etwas, was ich ihm nicht vergessen werde.»

Selbst nach dem Wimbledon-Final tauschen die beiden verbale Nettigkeiten aus: «Novak, du bist ein Gott», sagt Kyrgios.

Und Djokovic lobt den Australier über den Klee und will seine Wette einlösen, mit ihm mal um die Häuser zu ziehen. «Dieses Turnier wird mir immer am meisten bedeuten», sagt er – und wischt sich eine Träne aus den Augen.