Es ist wie ein historisches Déjà-vu. Was wir heute in der Ukraine erleben, spielte sich 1956 in Ungarn ab. Die Sowjetunion (beziehungsweise Russland) unterjocht ein aufmüpfiges Volk und zieht die Grenzen neu. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Die Menschen in der Ukraine reagieren mit Panik. Meine Cousine Olga verliess gestern ihr Haus in Sumy Knall auf Fall und setzte sich in einen Bus. Mittlerweile ist sie mit ihrem Mann, ihren Kindern und der Katze in einen Lastwagen umgestiegen. Doch die Flucht verläuft schleppend. Die Strassen sind verstopft, das Benzin ist knapp und das Nadelöhr an der Grenze eng. Übernachtet haben sie in der zentralukrainischen Stadt Tscherkassy.

Nun soll es weitergehen. Ihr Ziel ist Spanien, wo sie Verwandte haben. Aber ob sie je so weit kommen? Ich bete für sie.

In Russland schämen sich viele Menschen für das, was momentan in der Ukraine geschieht. Doch es gibt auch jenen Teil der Bevölkerung, der Putin zujubelt und die Invasion als Sieg gegen den Westen – und die verrohende Kultur – betrachtet.

Man muss wissen, dass in Russland ein desaströses Bild der westlichen Gesellschaft gezeichnet wird und die Homophobie quasi staatlich geschürt wird. Dass man beispielweise in der Schweiz seit diesem Jahr das Geschlecht per Kurzantrag auf jedem Zivilstandesamt ändern kann, wurde von der russischen Propaganda dankbar aufgenommen.

Ich persönlich – als russisch-schweizerische Doppelbürgerin mit ukrainischen Wurzeln – kann nur so viel sagen: Ich verurteile Putins Politik aufs Schärfste. Mein Herz schlägt für die Ukraine.

Die 3 Top-Kommentare zu "Wer die Ukraine verlassen kann, tut es lieber heute als morgen. Doch der Weg über die Grenze ist mit grossen Hindernissen verstellt"
  • getfax

    Sehr geehrte Frau Bogdanova, Ihr Schreiben ist sehr interessant. Wir sind eine deutsch-russische Familie mit Verwandtschaft in Charkow und in Belgorod und in Donezk und auch wir verurteilen aufs Schärfste, dass Putin sich zu einer solchen Politik veranlasst sah - nach mindestens 8 Jahren, in denen der Krieg bereits im Donbass gegen die russisch-sprachige Bevölkerung dort geführt wurde, und zwar nicht von Putin, sondern vom Westen gesteuert, zumindest nicht registriert.

  • bina

    Ich weiss nicht, wie es in Russland ist... Aber unsere Gesellschaft ist ! desaströs. Und man darf nicht einmal sagen, was desaströs ist, denn wir sind schon lange nicht mehr frei. Man muss nur einmal etwas Gutes über die Bibel sagen und man ist ausgeschlossen!

  • teresa.hasler

    Vielen Dank für Ihre Berichterstattung aus dem Ort des Geschehens. Ich hoffe, mit Ihnen für Ihr Volk und Ihre Verwandten. Die Berichterstattung über den Westen ist wohl ähnlich wie der Westen über den Osten berichtet. Wenn ich meinen Vornamen um einen Buchstaben abändern möchte, muss ich eine riesige Bürokratie in Kauf nehmen, so dass man es bleiben lässt. Wenn ich mein Geschlecht amtlich ändern möchte reicht ein Gespräch und Fr. 75.-. Dass uns die Russen für degeneriert halten, wen wundert’s?