Die Russen sind in der Ukraine eingefallen, um zu bleiben. Nicht nur im Donbass, sondern auch in den Regionen Cherson und Saporischschja, die im Süden des Landes unweit der Grenze zur Krim liegen.

Dort legen die Kreml-Truppen gerade den Grundstein für ihre dauerhafte Präsenz. Nach der Eroberung dieser Gebiete haben Putins Leute damit begonnen, ihr Programm zur Ent-Ukrainisierung des Territoriums umzusetzen. Sie legen die Basis für wirtschaftliche, politische und finanzielle Verbindungen mit Russland.

Dazu gehört es zum Beispiel auch, ukrainische Verwaltungsbeamte durch prorussisches Personal zu ersetzen. Die Symbole Kiews werden entfernt, Verbindungen mit der Ukraine werden durch russische Gefolgsleute ersetzt.

In Berdjansk sprechen wir mit Alexandr Fedorovic, dem neuen Stadtpräsidenten, der von Russland eingesetzt wurde. «Hier waren wir immer Teil der russischen Kultur», sagt er, als ob er seine Amtseinsetzung durch Moskau rechtfertigen wolle. «Unsere Wirtschaft war stets mit Russland verknüpft. In den letzten acht Jahren war dies von der ukrainischen Regierung verhindert worden, aber jetzt stellen wir die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Russischen Föderation wieder her. So unterstützen wir beispielsweise die Ansiedlung russischer Firmen.»

Fedorovic empfängt die Gäste, während er an einem grossen Schreibtisch sitzt. Hinter ihm stehen russisch-orthodoxe Ikonen, und die russische Flagge hängt an der Wand. Er trat sein Amt im März an, nachdem die Russen einmarschiert waren und sein Vorgänger nach Kiew geflohen war.

Aus seiner politischen Nähe zum Kreml macht Fedorovic kein Geheimnis: «Derzeit erleben wir eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation und müssen uns ums Überleben unserer Bürger kümmern. Danach werden wir uns mit unserer politischen Position befassen. Ich sehe unsere Zukunft nur gemeinsam mit Russland.»

Derselben Meinung ist Galina Danilschenko, die neue Stadtpräsidentin von Melitopol, das etwas westlich von Berdjansk liegt. Auch sie wurde im März von Moskau in ihr Amt gehoben und ersetzte Ivan Fedorow, der von den Russen wegen seiner Nähe zu Kiew festgenommen und zum Gefangenenaustausch in die ukrainische Hauptstadt geschickt wurde. Über ihren Vorgänger wisse sie nichts Weiteres, sagt sie, während sie lobende Worte für die russischen Truppen findet, die ihr Rathaus bewachen.

Wer Städte mit prorussischen Stadtpräsidenten erreichen will, muss sich von Militärkonvois russischer Spezialeinheiten begleiten lassen, vorbei am zerbombten Mariupol. Im Gegensatz zur nahe gelegenen belagerten Hafenstadt wimmelt es hier von Menschen.

Vor den Stadthäusern drängen sich die Bürger, um dort die neuen Anmeldeformulare Russlands auszufüllen. Die Symbole der russischen Herrschaft sind allgegenwärtig. Über dem Stadthaus weht die russische Flagge, der Eingang wird von maskierten Soldaten bewacht, die ihren Stützpunkt im Stadtzentrum errichtet haben und diesen mit der roten Siegesfahne samt Hammer und Sichel schmücken.

Moskau hat verschiedene Arten von Subventionen und Wirtschaftshilfen versprochen. Bislang eingetroffen ist bereits humanitäre Hilfe in Form von Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Medikamenten. Um die versprochene Hilfe aber zu erhalten, müssen sich die Bürger bei der neuen prorussischen Verwaltung anmelden und mit ihr kooperieren. Haben sie keine anderen Optionen, oder begrüssen sie den Einmarsch der Russen?

Sicher ist bloss: Danilschenko, die Stadtpräsdentin von Melitopol, spricht sich offen für die Möglichkeit der Eingliederung ihrer City in die russische Welt per Referendum aus: «Wir wissen noch nicht, wann, aber wir werden sicherlich die Bürger fragen, ob sie der Russischen Föderation beitreten wollen. Nur sie können dies entscheiden.»

Die 3 Top-Kommentare zu "«Wir waren hier immer Teil der russischen Kultur»: Zwei prorussische Stadtpräsidenten in eroberten Städten über ihre Politik nach dem Einmarsch Russlands"
  • Bailey

    Eines ist sicher: Vor dem Krieg beschoss Selenski Donbass/Donezk und diskriminierte die Russen während acht Jahren, indem er ihnen auch ihre Sprache verbot. Niemand hat dies im jetzt heuchelnden Westen auch nur gestört. Heute will Donbass 'verteidigen' und behalten. Verlogener geht es nicht. In prorussischen Gebieten ist es den Leuten bestimmt wohler, nicht beschossen zu werden und zu Russland zu gehören.

  • giorgio1954

    Die Ukraine geht wieder zurück an Russland. Putin macht nun Nögel mit Köofen. Wie war das damals, als die Russen 1962 Atombomben in Kuba, direkt vor Amerikas Haustüre, stationieren wollten. Hat Kennedy und den USA auch nicht gepasst. Und jetzt, wo die Nato die Russen mehr und mehr einengen und auch direkt vor deren Haustüre mit A-Waffen aufmarschieren, staunt man, wenn den Russen das nicht passt.

  • tri

    Das war zu erwarten. Erinnerungen an die Zarenzeit, damals war die Zarenfamilie Russlands mit den europäischen Königshäusern eng verwandt. Doch man fand einen Weg, alle entweder umzubringen, abzuschaffen oder ins Exil zu treiben, um die Reiche dann gezielt gegeneinander aufzuhetzen. Wer steckt eigentlich "wahrscheinlich bis heute" dahinter? Es braucht eine klare, historisch korrekte Aufarbeitung der Zusammenhänge und Ereignisse.