Stromschnellen, tobende Gischt, wilde Wellen. Der Rheinfall ist eine helvetische Urgewalt – ein Monument unseres Landes. Hundertausende von Litern Wasser stürzen jede Sekunde in die Tiefe. Jedes Jahr strömen rund eine Million Besucher zu dieser vielleicht grössten Touristenattraktion der Nordschweiz. Wer schon mal auf dem mächtigen Rheinfelsen stand, kennt die mystische Kraft dieses Ortes.

Doch nun will die Energielobby dem mächtigsten Wasserfall Europas den Hahn zudrehen. Der Tages Anzeiger bringt eine Geschichte an die Oberfläche, die in Schaffhausen schon lange ein dominierendes Gesprächsthema ist und derzeit in einer Spezialkommission des Kantonsrats behandelt wird. Am linken Ufer oberhalb des Wasserfalls soll ein Stromkraftwerk gebaut werden, das dem Fluss bis zu 125 Kubikmeter Wasser pro Sekunde entnimmt. Zum Vergleich: Das bereits bestehende Rheinkraftwerk Neuhausen entnimmt dem Fluss maximal 30 Kubikmeter pro Sekunde.

SP-Nationalrätin Martina Munz, die Präsidentin des Gewässerschutzverbands Aqua Viva, rechnet vor: «Mit einem Kraftwerk, wie es der Gesetzesentwurf vorsieht, würde der Rheinfall während sechs Monaten pro Jahr praktisch abgeschaltet. Von Oktober bis März wäre es erlaubt, die Abflussmenge auf 200 Kubikmeter pro Sekunde zu reduzieren.» So etwas kommt sonst nur bei extremer Trockenheit vor.

Man muss mit der SP nicht immer einer Meinung sein. Aber in diesem Fall trifft Martina Munz den Nagel auf den Kopf. Würde man den Rheinfall entwässern, wäre dies, als würde man den Gipfel des Matterhorns mit Photovoltaik-Anlagen vollpflastern oder einen Windpark auf dem Rütli errichten. Es wäre ein grandioser Verhältnisblödsinn – und ein kolossaler Frevel an unserer wunderschönen Landschaft.