Einstiegsfrage: Kann man bei Poloshirts mit obligatem Kragen, die zu nicht gerade figurfreundlichen Hosen, die bis zu den Knien oder den Waden reichen, oder in Kombination mit einem knielangen Rock getragen werden, überhaupt von Mode sprechen?

Meine Antwort als Journalistin, die noch in einem Alter ist, in dem sie einen Quickie einem Birdie vorzieht, lautet: Nein.

Ich erlaube mir als Nichtgolferin trotzdem ein Urteil zu diesem Thema, denn ich befasse mich beruflich seit langem mit modischen Trends und Strömungen. Und ich bin durchaus offen, meine Meinung zu ändern, falls man mich mit guten Argumenten eines Besseren belehren kann.

Individualisierter, moderner Look

Bis es jedoch so weit kommen könnte, teile ich die Ansicht des amerikanischen Golfers Michael Williams, der auf seinem Männermode-Blog «A Continuous Lean» schreibt: «Es gibt mehr Regeln, wie man sich für Golf kleiden soll, als für die meisten anderen Sportarten, und doch ist es der am schlechtesten gekleidete Sport der Welt.»

Es brauchte keine lange Recherche, um festzustellen, dass Williams mit seiner Sicht auf die Golfmode nicht allein auf dem Platz steht. Die Bestrebungen, den bisherigen eher langweiligen Mainstream in Richtung eines individualisierten und moderneren Looks zu entwickeln, sind in vollem Gang.

Doch zuerst zu den Dresscodes, die heute – zumindest hierzulande – auf den meisten Plätzen erwünscht oder gar gefordert sind. Kommen wir zu den Basics, zuerst zur oberen Hälfte der Bekleidung: Das klassische Rundhalsshirt ist beim Golfen genauso unerwünscht wie das sogenannte Muskelshirt, das die männlichen Schultern unbedeckt lässt, oder das bei den Frauen so beliebte Tanktop, das dank seinen schmalen Trägern und nach dem Auftragen eines Sonnenschutzes für optimale Bräune sorgt. Verpönt sind kurze Leibchen, die den Blick auf die nackte, weibliche Mitte gewähren. Selbst wenn warme Temperaturen dazu verführen könnten, ein Shirt locker-lässig über die Hosen oder den Rock zu tragen, um auf diese Weise für eine angenehme Lüftung zu sorgen: Vergessen Sie’s! Das Oberteil gehört sowohl bei den Herren wie bei den Damen in den Bund des Unterteils gesteckt. Basta.

Dass die meisten Profigolfer anscheinend in langen Hosen spielen, empfinde ich als erfreulich. So bliebe mir, falls ich jemals als Zuschauerin in den Genuss einer Challenge kommen würde, die Sicht auf behaarte Männerbeine erspart. Oder, wie es mein Mann so schön sagt: «Ausser auf dem Sportplatz, in der Badi und am Strand trägt ein erwachsener Mann lange Hosen!» Für einmal will ich ihm nicht widersprechen.

Crossover-Prinzip

Doch zurück zu den No-Gos in Sachen Golfkleidung: Dass knappe Shorts, die etwas antiquiert auch als «Hotpants» bezeichnet werden, die Platzreife nie erreichen, ist klar. Doch in den letzten zehn Jahren hat es bei den weiblichen Golf-Outfits offenbar eine positive Entwicklung gegeben. Vorher hatten sowohl professionelle wie auch Hobbygolferinnen fast keine Auswahl, wenn es darum ging, auch nur einen Hauch ihres persönlichen Stils mit der Kleidung auszudrücken. Es gab vor allem Outfits, die jenen der Männer ähnelten, etwa Khakishorts und Polos – eine Kombination, die trotz kleineren Grössen oft unförmig oder gar schlabbrig wirkte. Kein Wunder, litt darunter nicht nur der Tragekomfort, sondern auch die gute Laune: Denn welche Frau wollte oder will schon wie der weibliche Klon ihrer männlichen Kollegen aussehen?

Welche Frau will schon wie der weibliche Klon ihrer männlichen Kollegen aussehen?

Lange Zeit war somit für viele Golferinnen der Sport aus Sicht der Outfits alles andere als attraktiv. Das Golfen musste also eine wahre Passion sein, denn modische Lorbeeren liessen sich dabei definitiv nicht gewinnen. Glücklicherweise hat sich dies in den letzten Jahren ein wenig verändert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Golfplatz zum Laufsteg werden muss. Aber durch die Entwicklung zu körperschmeichelnden, klaren Schnitten, einer immer grösser werdenden Farbpalette und zu funktionellen Stoffen, die den verschiedensten Anforderungen genügen müssen, kann jede Frau (wiewohl immer noch im Rahmen der vorgegebenen Bedingungen) selbst entscheiden, wie sie sich beim Spielen am wohlsten fühlt.

Eine Entwicklung, die auch die schwedische Profigolferin Pernilla Lindberg begrüsst: «Die Golfmode ist immer femininer geworden, die Stoffe immer perfekter.» Lindberg spricht damit den momentan riesigen Trend zum Athleisure-Look an, der Sport und Streetwear vereint und der die Worte athletic (sportlich) und leisure wear (Freizeitkleidung) verbindet. «Ich finde es toll, weil man jetzt mehr von seinem persönlichen Stil auf dem Golfplatz zeigen und auch nach dem Spiel woanders hingehen kann, ohne dass es so aussieht, als käme man direkt vom Sport», sagt sie.

Der gleichen Meinung ist auch Christina Kim, die Profigolferin, die für ihren eklektischen Stil auf dem Golfplatz bekannt ist. «Ich freue mich», sagt sie, «dass sich die Golfmode den gesellschaftlichen Modetrends stark angenähert hat. Die Zeiten der kastenförmigen, übergrossen Hemden und gefalteten Khakihosen sind vorbei. Funktionelle Stoffe, Silhouetten, die die weibliche Figur betonen, fröhliche Farben und Muster sowie klare Linien sind heute die Norm.»

«Athleisure Wear» heisst also der Golftrend der Stunde. Und es brauchte nur wenige Klicks, um festzustellen, dass diese Entwicklung hierzulande nicht nur angekommen ist, sondern auch immer mehr gedeiht. Ein fester Bestandteil dieses Kleidungsstils ist das Crossover-Prinzip. Dazu werden funktionelle Kleidungsstücke, Shirts, Hoodies, Pullis, Jupes, Kleider, Hosen in allen Varianten einerseits übereinander getragen, andrerseits auch immer wieder neu kombiniert. Die atmungsaktiven und pflegeleichten Hightech-Stoffe verfügen häufig über einen gewissen Stretch-Anteil, damit sich die Kleidungsstücke immer wieder neu an den Körper anpassen.

Beliebte Labels wie J.Lindeberg, Lacoste Sport, Adidas Golf, Callaway, Under Armour, Kjus werden nicht nur von spezifischen Golfshops angeboten, sondern haben den Weg auch in die grossen Online-Shops wie Zalando oder Breuninger geschafft. Damit wird auch ein jüngeres Publikum angesprochen, das sich zwar durchaus an eine gewisse Etikette hält, aber dies nicht auf Kosten des persönlichen Stils.

Hochansteckendes Barbie-Virus

Als wohltuend empfinde ich bei der aktuellen Golfmode, dass die meisten Modelle der obengenannten Marken mit wenigen Ausnahmen zwar punktuell durchaus auf starke Farben setzen, aber auf allzu Zuckersüsses verzichten. Allerdings könnte es sein, dass die trendsetzenden Designer dieses Mal von der Realität überholt werden. Vor kurzem wurde nämlich «Viva Magenta 18-1750» zur Pantone-Farbe des Jahres gekürt. Von den Experten und Expertinnen des Pantone Color Institute wird sie als «mutig und furchtlos» beschrieben. Dies weckt Befürchtungen, dass das stimmungsaufhellende «Dopamin Dressing» auch die Golfplätze heimsuchen wird. Denn hier dominiert jetzt schon beim Hobbyfrauengolf altersübergreifend das Farbspektrum von Rosa über Pink. Vielleicht gibt es so etwas wie ein hochansteckendes Barbie-Virus, das sich in der Kindheit im Körper einnistet und immer dann wieder aufblüht, wenn es die Mode erlaubt, dem «La vie en rose»- oder, etwas weniger blumig gesagt, dem Kaugummitrend zu frönen.

Junge Leute hätten keine Lust mehr, «optisch wie ein Immobilienhändler» rüberzukommen.

Wie viel stilvoller und sicher auch angenehmer zum Tragen ist da doch beispielsweise ein gerade geschnittener, dunkelblauer und ärmelloser cruise dress von Puma Golf, in dem die Trägerin auch nach dem Spiel am 19. Loch eine bella figura macht.

Männlichen Lesern, die nicht nur wegen ihrer sportlichen Fähigkeiten auf dem Golfplatz Aufmerksamkeit erzielen möchten, rate ich, sich die Mode von Bogey Boys anzusehen, dem Label des amerikanischen Rappers Macklemore. Der Grammy-Gewinner und leidenschaftliche Golfspieler hatte von den klassischen Männer-Outfits die Nase voll. In Interviews mit amerikanischen Medien meinte er, dass die Golfmode «für den Archetyp eines männlichen, weissen Dude» designt worden sei; die jungen Leute, die in den letzten Jahren diesen Sport für sich entdeckt hätten, hätten jedoch keine Lust mehr, «optisch wie ein Immobilienhändler» rüberzukommen.

Humorvolles Augenzwinkern

Macklemore, der sich als Fan der Golfmode aus den 1970er und 1980er Jahren outet, vereint in seinem Label sportlichen Baseball-Retrostyle mit farbenfroher Streetwear mit ausgefallenen Mustern und Prints. Er beweist so, dass ein cooler Typ jeglichen Alters durchaus aussergewöhnliche Outfits tragen kann, wenn er dies mit einem humorvollen Augenzwinkern tut und zeigt, dass man weder die Mode noch sich selbst allzu ernst nehmen sollte.

Für Männer, die nur einen kleinen Schritt in Richtung eines Fashionistas machen möchten, finden sich auf der Website von Bogey Boys auch schlichtere Modelle, die mit leisem, aber trendigem Pfiff ganz subtil darauf hinweisen könnten, dass man noch lange nicht zu den old boys gehört.

Silvia Aeschbach schreibt für verschiedene Zeitungen und Magazine und hat mehrere Bestseller-Sachbücher veröffentlicht. Sie lebt und arbeitet in Zürich.