Bremen

Wenn alles mit rechten Dinge zuginge, wäre Olaf Dinné ein angesehener Parteipatriarch der Grünen. Ja, kühn gedacht, hätten sie sogar ihre Stiftung nach ihm benennen können, und nicht nach Heinrich Böll. Dinné war schliesslich der erste Grüne, der in ein deutsches Parlament gewählt wurde – 1979 in die Bremer Bürgerschaft. Damit begann ein Aufstieg, der die Partei an die Schwelle der Regierungsverantwortung in Berlin geführt hat.

Doch da im Leben nicht alles mit rechten Dingen zugeht, wird der muntere 85-Jährige von seiner einstigen Partei verschwiegen und verfemt. Zum 40-Jahr-Jubiläum des Bremer Wahlerfolgs brach in der Partei gar ein Streit darüber aus, ob man den Pionier überhaupt einladen sollte. Denn Dinné hat längst mit seiner Partei gebrochen, und Stolz über den Erfolg des von ihm mit zur Welt gebrachten Wunderkindes empfindet er schon gar nicht: «Ich verachte sie, ich wünsche ihnen die Pest an den Hals», sagt er und streicht sich eine Portion selbstgemachten Ziegenkäse auf den Pfannkuchen.

 

Villa Kunterbunt

 

Die Milch für den Käse stammt von seinen Ziegen, die hinter dem Haus grasen – eine charmant unordentliche Villa Kunterbunt, prall gefüllt mit Büchern, Bildern und Erinnerungen. Ringsherum erstrecken sich Schrebergartenkolonien. Die einstige Kuhweide auf einer Weser-Insel inmitten von Bremen wurde nie bebaut.

«Weltanschaulich grün» ist Olaf Dinné noch immer, ausserdem keiner, der sich in eine Schablone pressen lässt. Er ist ein Querdenker, im alten, guten Sinn des Worts. Einer, der sich querlegt, wenn in seiner Heimatstadt eine Allee gefällt oder ein Apartment-Block in ein historisches Quartier geklotzt werden soll. Querulant nennen ihn die einen, prinzipientreu die anderen. Letztere Eigenschaft führte zum Bruch mit den Grünen. Sein Vorwurf, der sich aus Erfahrungen speist: Grün sei nur der Firnis. Tatsächlich sei es eine krypto-kommunistische Kadertruppe, die Umweltschutz und Klima nur als Vorwand nutze. «Unsere Partei wurde von den Linken übernommen und umgedreht», erinnert sich Dinné.

Zu Beginn war die grüne Bewegung in Deutschland alles andere als links. Ihre Vertreter kamen aus der CDU, der CSU, aus dem Naturschutz, und auch einige alte Nazis waren dabei. Andere, wie Dinné, stiessen von den Sozialdemokraten dazu. Die radikale Linke, die von der DDR unterstützt wurde, war der sozialistischen Tonnenideologie verpflichtet, der es nur um die Steigerung der Produktion ging, ohne Rücksicht auf Verluste. Ausserdem war sie bedingungslos für die Kernkraft.

«Die Linke hat uns anfangs bekämpft», erzählt Dinné. «Als ‹Jünger von Hermann Löns› haben sie uns beschimpft.» Löns war ein nationalistischer Heimatdichter der Kaiserzeit, der bei den Nationalsozialisten grosse Popularität genoss.

Während andere Parteien stolz auf ihre Gründer sind, hüllen sich die Grünen bei diesem Kapitel ihrer Geschichte in Schweigen. Dabei hätten sie mit der charismatischen Petra Kelly, dem liberalen Schriftsteller Carl Amery oder dem Umweltschützer Herbert Gruhl durchaus herausragende Persönlichkeiten zu bieten. Doch daran will eine linke Partei nicht erinnert werden, und links wurden die Grünen schon bald nach ihrer Gründung als Bundespartei im Januar 1980. Der Bundeskongress in Karlsruhe lehnte noch den Antrag ab, dass Mitglieder kommunistischer Organisationen, die K-Gruppen, gleichzeitig Mitglied bei den Grünen sein konnten. Doch der nächste Kongress drei Monate später hob dieses Verbot auf.

 

«Das ist DDR 2.0»

 

Die Folgen waren unmittelbar zu spüren. Die Mitgliederzahl schoss binnen zweier Monate von 2800 auf 12 000. Der Verfassungsschutz rieb sich die Augen. Quasi über Nacht waren die K-Gruppen verschwunden. «Der rote Sumpf wurde zum grünen Sumpf», resümiert Dinné. Rasch übernahmen die Roten Schlüsselpositionen. Joschka Fischer, Jürgen Trittin, Winfried Kretschmann, Antje Vollmer – die neuen Parteiführer hatten alle einen kommunistischen Hintergrund. «Trittbrettfahrer», schnaubt Dinné. «Sie haben den Umweltschutz nach links gedreht und ideologisiert.»

Aber gilt das für die heutige Führungsgarnitur? Robert Habeck trug noch kurze Hosen, als Dinné gegen die kommunistische Übernahme focht, und Annalena Baerbock war noch nicht geboren. «Aber sie sind in dem linken Klima sozialisiert worden», urteilt Dinné. «Sie sind im linksgrünen Sumpf aufgewachsen.» Dazu kommen Programm und Attitüde der Partei: «Das ist DDR 2.0», meint Dinné. «Globale Ziele verkünden, aber vor Ort machen sie nur Scheisse. Ich verachte sie als Heuchler. Und ihre bevorzugte Methode sind Verbote, Verbote und Befehle.»

Bereut er es, Geburtshelfer dieser Partei gewesen zu sein? «Na ja, das Projekt ist nach hinten losgegangen. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Ja, ich schäme mich sogar ein wenig, dieses Projekt mitbegründet zu haben.»