Darf ich Sie nach Ihrem Pronomen fragen?» Die Frage sollte man dem Gegenüber beim Kennenlernen stellen – jedenfalls, wenn es nach den Service-public-Anstalten ZDF und SRF geht. Bevor man also mit der freundlichen Serviceangestellten im Restaurant ins Gespräch kommt über den Ursprung der bestellten Forelle, ist die Pronomenfrage angebracht. Beim Kennenlernen der Mitschüler im Spanischkurs ebenso, auch beim ersten Treffen mit dem Golfinstruktor.

Mit Pronomen wie er/sie/es werden Personen oder Dinge beschrieben. Für die Anrede von non-binären Personen, also Personen, die sich weder als Frau noch als Mann identifizieren, haben Gender-Freunde «Neopronomen» kreiert wie hen/xier/xien/dey/deren, die kein Geschlecht festlegen. Und weil man nicht wissen könne, als was sich das Gegenüber identifiziert, sei die Pronomenfrage geboten, um es nicht zu verletzen.

Derzeit beschäftigen diese Neopronomen auch die Medien. «Das ist Jo. Dey ist sehr nett und deren Frisur sieht toll aus»: Diese neue Wortschöpfung schlägt das ZDF in seiner Mediathek als Beispiel für geschlechterinklusive Sprache vor. «So verwendest du die richtigen Pronomen», schreibt auch das SRF in einem «We, Myself & Why»-Beitrag auf Instagram und führt Beispiele an: «Hen geht nach Hause. Ich rufe hen an.» Falls man ein falsches Pronomen benutzt: «Korrigiere dich und sprich weiter.»

Wir leben in einer freien Gesellschaft, wo jeder seine Ideen zwecks Lösung eines von ihm identifizierten, sozialen Problems kundtun und danach handeln kann – genauso wie sich jeder zu entsprechenden Ideen kritisch äussern darf. Ich verüble Gender-Freunden nicht, wenn sie sich für ihre Anliegen einsetzen. Am Gender-Aktivismus ist auch nicht alles schlecht: Dass ein respektvoller Umgang mit anderen zu den Eckpfeilern unserer Gesellschaft gehört, unterschreibe ich sofort. Im Ziel ist man sich einig, beim Weg uneins. Mein Weg führt über gerechtes Handeln und: zu Leuten einfach nett sein. Mitmenschen respektvoll zu begegnen, hat für mich nichts mit Sternchen oder Pronomen zu tun.

In einer früheren Welt hiess Diskriminierung einmal, eine Person (meist mit Absicht) zu beleidigen oder schlechter zu behandeln als andere. Heute macht man sich der Diskriminierung nur schon schuldig, wenn man diese neue Sprache nicht benutzt, Witze über ihre Widersprüche macht oder Neopronomen für unnötig hält; der Vorwurf, man würde nicht-binären Personen ein Recht auf die richtige Anrede absprechen, naht dann rascher, als man «LGBTQ» aussprechen kann. Dabei wird oft gar nicht genau hingehört, was Leute überhaupt kritisieren. Wer Ideen und Forderungen aus dem Gender-Kosmos beanstandet, kritisiert nicht non-binäre Personen und ihre Lebensentscheide, sondern Ideen und Forderungen rund um den Gender-Kosmos; es ist das Drumherum. Jeder soll seine Pronomen wählen, wie er möchte. Nur verlange nicht von allen anderen, dass sie genau gleich denken wie du.

«SRF sagt, wie man politisch korrekt sprechen soll», schreibt der geschätzte Kollege Rico Bandle in der Sonntagszeitung, wo er besagten Neopronomen-Beitrag kommentiert. «SRF berichtet nicht etwa darüber, dass eine kleine Gruppe von Aktivisten eine solche Sprachanpassung fordert – was der journalistische Ansatz wäre, sondern verlangt die Sprachanpassung selbst und gibt Handlungsanweisungen.»

Die Gruppe jener, die sprachliche Angleichungen für wichtig halten, ist tatsächlich sehr klein. Verlassen wir Grossstädte wie Zürich oder Berlin und die Blase des Trio Infernal (Journalisten, Akademie, Aktivisten), bleibt nicht viel Gender-Enthusiasmus übrig. Die meisten Menschen haben mit identitätspolitischen Themen, zu denen auch die Bestrebungen zu Sprachanpassungen gehören, nichts am Hut. Sie haben nicht mal mitbekommen, dass Debatten über Neopronomen überhaupt existieren. Würde ich unsere Tischkellnerin beim Schwatz tatsächlich fragen: «Würden Sie mir erst noch sagen, welches Pronomen Sie verwenden?», würde sie mir wahrscheinlich einen Kamillentee zur Entspannung servieren.

Ich habe nichts dagegen, wenn gebührenfinanzierte Sender kontroverse Auffassungen und Ideen von Aktivistengruppen vorstellen. Man kann nicht erwarten, dass nur über Dinge berichtet wird, die einem selbst zusagen. Aber es kommt auf die Verpackung an. Die Ausführungen zu den Neopronomen in den ZDF- und SRF-Beiträgen sind nicht als Meinung (einiger weniger) gekennzeichnet, sondern werden als gegeben dargestellt, obwohl es mitnichten Ansichten sind, die von der grossen Mehrheit der Gesellschaft getragen werden. Ich kenne auch niemanden, auch niemanden aus der LGBT-Community, der diese Kunstworte in seinem alltäglichen Sprachgebrauch nutzt.

Genderinklusive Sprache hat sich nicht auf natürliche Weise entwickelt, sie ist vor allem durch die Medien als ihr führender Impulsgeber in die Gesellschaft gepflanzt worden, deren Vertreter ihre Sprechpausen und Sternchen gewohnheitsmässig repetieren, in der Hoffnung, dass sie irgendwann Wurzeln schlagen. Das Publikum hat aber seine eigenen Wege, Gewohnheiten und Wirksamkeiten, um Toleranz und Respekt auszudrücken. Vielleicht ist es für die «vierte Gewalt» ja irgendwann möglich, das zu akzeptieren.

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Die 3 Top-Kommentare zu "Hallo Medien"
  • Bailey

    Super, Frau Wernli, da haben Sie den Nagel exakt auf den Kopf getroffen. Präziser kann man es nicht formulieren. Ich werde diese hirnrissige 'Genderei' NIE mitmachen. Dafür ist mir die deutsche Sprache zu schade. Das Problem ist, dass eine linke Minderheit, welche die ** etc. benützt, die deutsche Sprache weder i.S. Grammatik noch Interpunktion beherrscht, zum Angeben noch mit Anglizismen verhunzt, inkl. Journalisten, s. SRF! -Würde auch die LGBT-Gruppe leiser auftreten,hätte sie mehr Akzeptanz.

  • Chrüütlibuur

    Ich zähle fest auf einen längeren Stromausfall ab 2024, 2025. Wenn sich die Leute in der Migros, im Kampf um die letzten Nahrungsmittel, gegenseitig die Köpfe einschlagen, wird dieser 0.005% mögliche Bevölkerungsanteil ganz andere Sorgen haben als die richtigen Pronomen zu erwischen. Mit etwas Glück liegt, beim folgenden Lichtan, der Bevölkerungsanteil bei 0.001%. Gendern ein Irrläufer der Geschichte. Also, bitte. Verhindert diese grünen Selbstschädigungen nicht. Sorgt einfach vor.

  • raedi butz

    Ein rein mediales Problem. Ein paar Durchgeknalltys, die ihren Dachschaden wie ein Monstranz vor sich hertragen, wollen einfach wissen, wie weit sie gehen können/dürfen/müssen, bis die Gebühren-Initiative "Null ist noch zu viel!" eine Mehrheit findet. Lang wird's nicht mehr dauern.