Félix Vallotton, Coucher de soleil, ciel orange, 1900 – In seinen letzten Tagen, als der Krebs ihn auszuhöhlen begann und die letzten Zellen der Hoffnung zersetzte, malte der Schweizer Maler Félix Vallotton (1865–1925, ab 1900 französischer Staatsbürger) unablässig Sonnenuntergänge. Über vierzig Stück, als ob er in diesem Übergang vom Licht ins Dunkel das Drama des Sterbens mit den schönsten Farben des Himmels beschwichtigen könnte und die Sehnsucht nähren, dass er selbst, irgendwo, wieder und endlich aufgehen könnte.

Ärzte versuchten ihn, der schon unrettbar verloren war, noch zu retten, operierten ihn, aber das Leben in ihm war viel früher schon, als der Krebs bloss in ihm und unbemerkt geschlummert hatte, verlorengegangen. Sein Leben war ein ewiger Sonnenuntergang hinter den nur selten sich lichtenden Wolkendecken seines Wesens. Das Leben war ihm so unberührbar wie ein Sonnenuntergang, und nie, oder nur ganz selten, konnte er darin so versinken, dass sein eigenes Licht aufgegangen wäre.

Vielleicht ebnete seine Unfähigkeit, sein Dasein kaum mehr als ein Beobachter wahrzunehmen, der tödlichen Erkrankung ihren Weg. Vielleicht begann das unangenehme Erleben seines Selbst, als er seine Geliebte verliess, um eine reiche Witwe zu ehelichen, die ihm einen goldenen Käfig bot, dessen Preis drei mit in die Ehe gebrachte Kinder waren, die Vallotton zuerst zum Wahnsinn, dann zum innerlichen Rückzug und schliesslich in die Sphären eines nimmer enden wollenden Pessimismus brachten. Er wurde ungesellig, wollte mit der Gesellschaft nichts zu tun haben, aber trotzdem von ihr anerkannt werden. Er war zu einem Menschen geworden, der nur noch von all dem geleitet wurde, was er ablehnte.

Und so ging er unter, Jahreszeit für Jahreszeit, kam sich selbst abhanden, dann den Menschen, das Dunkel in ihm wurde zu einer Finsternis, die keine Farbe mehr übertünchen konnte und die keine aufgehende Sonne mehr zu erhellen vermochte.