Wer mit Holz heizt, darf ein ruhiges Gewissen haben. Zwar entsteht bei der Verbrennung viel Kohlendioxid, das in die Atmosphäre entweicht. Dieses CO2 wird aber wieder gebunden, wenn Holz im Wald nachwächst.

Wer aber Beton nutzt, etwa für den Bau eines Hauses, muss sich Sorgen um das Klima machen, weil bei der Herstellung des darin enthaltenen Zements ebenfalls viel Kohlendioxid entsteht. Denn die chemische Umwandlung von Kalkstein in Klinker, den Hauptbestandteil von Zement, ist sehr CO2-intensiv. Ist dieses Kohlendioxid aber erst einmal in der Luft, dann bleibt es das auch.

Von dem ging man zumindest lange aus. Die Zementindustrie wird darum für 8 Prozent des weltweit erzeugten CO2 verantwortlich gemacht. In der Schweiz sind es immerhin 5 Prozent. Doch dabei geht etwas vergessen: Zement und Beton sind in Wahrheit ebenfalls klimaneutral – zumindest ein Stück weit.

Denn während der Lebensdauer von Beton – also meist über viele Jahrzehnte – nimmt der darin enthaltene Zement einen Teil des zuvor ausgestossenen Kohlendioxids wieder aus der Luft auf. Der Klinker im Zement wandelt sich allmählich zurück in Kalkstein. Dieser Vorgang heisst Karbonatisierung. Wie stark die Karbonatisierung wirkt, ist sehr unterschiedlich. Bei porösem Beton ist sie besonders intensiv. Auch Feuchtigkeit fördert die Karbonatisierung.

Bis vor wenigen Jahren war unklar, wie stark Beton im Laufe der Jahre durchschnittlich karbonatisiert und wie viel des zuvor ausgestossenen CO2 folglich wieder aufgenommen wird. Man nahm an, dass es nur einige wenige Prozent des freigesetzten Kohlendioxids sind. Doch das hat sich geändert – denn Wissenschaftler haben die Karbonatisierung inzwischen genauer untersucht.

Behörden stellen sich taub

Das Resultat ist, dass Beton viel mehr CO2 aufnimmt, als man zuvor angenommen hat. Ein chinesisches Forscherteam kam 2016 im Fachmagazin Nature Geoscience auf einen Anteil von 43 Prozent. Laut der Aufstellung «Global Carbon Budget 2020» im Fachblatt Earth System Science Data sind es durchschnittlich sogar 50 Prozent. Demnach ist Zement zur Hälfte klimaneutral – zumindest bezüglich Emissionen bei der Herstellung. Die Wirkung der Karbonatisierung ist der Zementindustrie bekannt. Laut Angaben des Schweizer Dachverbands Cemsuisse rechnet man aber konservativ und geht von einer Aufnahme von 20 Prozent des Kohlendioxids aus.

Den Schweizer Behörden aber scheint nicht bewusst zu sein, wie stark die Karbonatisierung wirkt. Jedenfalls übergehen sie bis heute den Effekt bei der Berechnung der Klimawirkung von Zement und Beton komplett.

Diese Zurechnung spielt vor allem eine Rolle bei der Pflicht von Zementproduzenten, Emissionszertifikate für ihren Klimagasausstoss zu erwerben. Es ist damit zu rechnen, dass die Industrie europaweit bald ihren gesamten CO2-Ausstoss mit Zertifikaten abgelten und diese zukaufen muss. Das geht ins Geld. Bei den heutigen Zertifikatspreisen müssten die Schweizer Zementhersteller insgesamt über hundert Millionen Franken hinblättern. Ob die Karbonatisierung berücksichtigt wird, ist also wichtig.

Doch das Bundesamt für Umwelt will davon nichts wissen. «Die Teilnahme am Emissionshandelssystem folgt europaweit nach einheitlich definierten Systemgrenzen», sagt es auf Anfrage. Die Aufnahme von CO2 durch Karbonatisierung sei in den entsprechenden Regeln nicht enthalten.

Alex Reichmuth ist Journalist beim Nebelspalter.

Die 3 Top-Kommentare zu "Die Zementindustrie wird als «Klimakiller» gebrandmarkt. Dabei sind Zement und Beton in Wahrheit ebenfalls klimaneutral"
  • 1951thun

    Noch mehr Grüne an die Macht. Dann reissen wir alle Betonbauten ein und leben wieder in Höhlen und im Wald !

  • juege

    Ja, weil die sämtliche Betonvorräte für Windmühlen im Boden vergraben haben.

  • Edmo

    Wir sollten dringend damit aufhören, Klima und CO2 in einem Aufwasch zu nennen. Wir wissen nicht, wie das Klima funktioniert. Die Vorgänge sind dermassen komplex, dass wir weit davon entfernt sind, sie zu begreifen. Auch wenn viele Leute frech genug sind, etwas anderes behaupten. Mit Sicherheit können wir allerdings sagen, dass das CO2 keinen signifikanten Einfluss auf das Klima haben kann. Mit dem Spurengas kann man grottenschlechte, verlogene Politik, aber kein Klima machen.