Ilija Djurdjevic lebt seit ein paar Jahren dort, wo seine Bälle fliegen, am Rande des Himmels, in St. Moritz. Er ist in dem Alter, in dem man gerade nicht mehr jung ist, 33. Er war mal der 1744-beste Golfer von allen gut siebzig Millionen Golfern der Welt, das klingt in der Liga ganz oben nach nicht so viel, ist aber doch ein weiter, weiter Weg dorthin. Bei den Longhittern gehört er zu den Besten der Welt, er war 2019 Europameister. Nicht viele in unseren Breitengraden können einen Ball weiter schlagen als Ilija; sein offizieller Rekord ist 375, sein inoffizieller 441 Meter.

Man kann nicht sagen, dass für Ilija das Leben nichts anderes als ein Spiel sei, er ist gerade Vater geworden; was das für sein Handicap (–1) bedeutet, weiss er noch nicht, inwiefern sich das auf die Leichtigkeit seines Schwungs auswirkt, auch nicht. Vielleicht wird er auch besser, noch gelöster, wenn man so will, weil Ilija nur Dinge tut, die gut für ihn sind und ihm ein gutes Gefühl geben. Da hat er einen inneren Sensor. «Nur so», sagt er, «ziehst du das Gute an. Und das Glück, das du dazu brauchst.»

Zurück zur Leichtigkeit

Glück für einen selbst ist eine Lektion mit Ilija. Es ist stets eine Souplesse, man wächst in ihr, das heisst, man wird länger, zehn Meter mit Sicherheit, und man verlässt die Range oder den Course ein bisschen mit dem Gefühl, das man hätte Golfprofi werden können, wenn das Leben anders verlaufen wäre. Ich habe ihn einmal am 18. Loch auf dem Golfplatz Zuoz-Madulain erlebt, der zum Engadine Golf Club gehört, Djurdjevics Arbeitgeber; ein Par 4 ist es, 369 Meter. Ilija stand da, schwang, und der Ball flog beinahe aufs Grün. Der Schlag war ein Kunstwerk, eine Sinfonie aus Eleganz, Kraft, Leichtigkeit und Selbstbewusstsein, und noch heute höre ich dieses Geräusch, als das clubface den Ball traf.

Der Schlag war eine Sinfonie aus Eleganz, Kraft, Leichtigkeit und Selbstbewusstsein.

Da gäbe es, sagt Ilija, kein Geheimnis in der Kunst des Umgangs mit dem Driver. Es brauche einfach den Mut, das Risiko einzugehen, voll draufzuhauen: «Nicht mit 80 Prozent oder mit 90, sondern mit allem, was du hast.» Was er einen beibringen kann, sind die Feinheiten: Ansprechposition, Armstellung, wie man seine Schlägerkopfgeschwindigkeit optimieren kann, solche Sachen. Seine Stärke, fand ich, lag stets darin, dass er einem ein gutes Gefühl für den Driver gab, ein Gefühl, in dem Mut schwingt, Machbarkeit und das Sein als potenzieller Master über den Schläger.

Das Wesen des Golfs ist es, dass man sich die gewinnbringende Leichtigkeit im Schwung verdienen muss durch harte Arbeit, durch Tapferkeit in der Niederlage. Man muss mit Ernsthaftigkeit spielen, um bei der Leichtigkeit zu landen, und umgekehrt. Auch Ilija kam einst vom Fairway ins Rough, ausgerechnet in einer Phase, «in der ich mein bestes Golf spielte und die Bälle nur so gehämmert habe». Es war an der Amateur-WM in der Türkei, Ilija für das serbische Team auf der Jagd nach Birdies und babes auch. Zehn Jahre ist es her. Aus dem Nichts brach sein Abschlag zusammen und die fraglose Selbstverständlichkeit des Bewegungsablaufs. Zwei Jahre focht er Kämpfe, trainierte, ging zum Teampsychologen. Zwei Jahre lang, 45 000 Bälle lang vielleicht.

Es gibt Menschen, die zerbrechen an so was. Und es gibt jene, die an den zerbrochenen Stellen stärker werden. Es war ein langer Weg aus der Lähmung zurück zur Leichtigkeit, der längste seiner Sportlerkarriere bisher, in der er, nebst Golf, Tennis spielte, Eishockey und später der jüngste Rugbyspieler in der spanischen 1. Liga wurde.

Ein voller Kopf trifft nicht gut

Seit zwei Jahren schlägt er die Bälle hauptsächlich dort, wo sie dank der dünnen Luft noch weiter fliegen, oben in Engadin, schlägt sie in Richtung dieser grossartigen Berge, einen um den andern. Viel weiter werden sie nie mehr fliegen, er wird nicht jünger, seine Technik ist High End, obwohl er alles dafür tut. Macht Fitness, stemmt Gewichte, rennt rum und denkt darüber nach, wie noch ein bisschen was an Schlägerkopfgeschwindigkeit herauszuzaubern wäre.

Zu viel denkt er dann aber auch nicht, weil das Spiel mit einem Schläger und einem kleinen Ball, der auf dem kürzestmöglichen Weg in ein kleines Loch soll, zu grossen Teilen Kopfsache ist, wenn man das mit der Technik mal verinnerlicht hat. Ein voller Kopf trifft nicht gut. Jeder Golfschlag ist die Quintessenz einer spannungsgeladenen und vor allem ausbalancierten Leichtigkeit. Wir wissen es alle, und Ilija sagt es: «Man schlägt den Ball, wie man lebt.»