Weltwoche: Thomas Borer, wer war die wichtigste Person, die Sie jemals auf dem Golfplatz angetroffen haben?

Thomas Borer: Ich denke, Donald Trump. Ich traf Trump im Trump National Doral Golf Club in Miami, der ihm gehört. Ich spielte gerade auf Loch neun, als auf einmal ein Helikopter gleich daneben landete. Ich konnte darum nicht weiterspielen. Aus dem Helikopter stieg Donald Trump, kam auf mich zu und entschuldigte sich für die Störung.

Weltwoche: Und dann haben Sie gemeinsam die Runde weitergespielt?

Borer: Natürlich habe ich gleich gesagt: «It would be an honour if you would join me.» Aber Trump sagte in seinem typischen Trump-Tonfall: «Sorry, leider keine Zeit, ich muss heute diesen Idioten in meinem Hotel da unten erklären, wie sie in die schwarzen Zahlen kommen.»

Weltwoche: Glück gehabt. Vermutlich hätten Sie verloren, weil Trump den Platz viel besser kannte als Sie.

Borer: Ich habe an dem Tag durchaus gewonnen. Als ich zurück im Klubhaus war, sagten sie zu mir, es sei heute selbstverständlich alles inbegriffen und alles gratis für mich. Und dann sagten sie, Mr Trump lasse ausrichten, dass er es sehr schätze, dass ein Schweizer Botschafter auf seinem Platz spiele. Woher sie das wussten, war mir ein Rätsel, aber ich sagte mir: Dieser Trump, das ist noch ein Monsieur.

«Wo gibt es für mich noch echte Herausforderungen? Auf dem Golfplatz.»

Weltwoche: Und was waren Ihre besten Erlebnisse auf einer echten Golfrunde?

Borer: Das war natürlich, wenn ich an gemischten Turnieren, den sogenannten ProAms, mit den besten Profis spielen konnte. Ich spielte beispielsweise mit Colin Montgomerie, Martin Kaymer und Lee Westwood, alles Spieler, die grosse Major-Turniere gewonnen haben. Das war schon sehr eindrücklich, weil man erlebte, dass die ein völlig anderes Spiel spielen, als man das selber tut. Da lernt man Demut, echte Demut.

Weltwoche: Ich habe auch ein paar ProAms gespielt. Ich war immer verblüfft, wie völlig normale und sympathische Typen diese Golfstars waren.

Borer: Ja, auch die absoluten Top-Profis sind durch die Bank Gentlemen. Wenn man gemeinsam in einem Team spielt, dann ist auch ein Lee Westwood, der Abermillionen verdient hat, sich nicht zu schade, einem Borer zu helfen. Er zeigt mir beim Putten zum Beispiel die Linie, und wenn ich den Ball per Zufall versenke, dann klatscht er mich ab, als ob ich gerade die British Open gewonnen hätte.

Weltwoche: Ja, das kontrastiert stark mit dem Vorurteil, Golf sei ein eher abgehobenes Spiel von Snobs.

Borer: Golfer, auch Spitzenspieler, sind nahezu immer höflich und zuvorkommend. Ich denke, das ist der grosse Unterschied zu allen anderen Sportarten. Ich habe gelegentlich mit Fussballern zu tun gehabt, die tendieren dann stark zur Arroganz.

Weltwoche: Als ehemaliger Botschafter – welche Rolle spielt Golf in Politik und Diplomatie?

Borer: Vor allem in den USA spielt es eine wichtige Rolle. Es gibt seit achtzig Jahren nur einen US-Präsidenten, der nicht Golf spielte, Jimmy Carter. Ich begann 1993 in Washington Golf zu spielen, als damals junger Diplomat. Ich durfte, weil ich auf der Botschaft arbeitete, im noblen Klub von Bretton Woods spielen. Da lernte man schon etliche Politiker kennen, da kam schon immer mal wieder ein Senator vorbei.

Weltwoche: Es war also schon fast Pflicht, in Washington mit Golf zu beginnen.

Borer: Nicht unbedingt. Ich spielte in der Schweiz immer Tennis, Turniere im Interclub. Als Single in den USA aber hatte ich Probleme, Tennispartner zu finden. Bei Golf ist das leichter. Also nahm ich in den Ferien in Florida halt mal eine Golfstunde.

Weltwoche: Ich weiss, was nun kommt.

Borer: Natürlich hat es mir gleich den Ärmel hineingezogen, schon am zweiten Tag ging ich mit dem Golflehrer auf eine Runde auf dem Platz. In den USA ist das ja anders als in der Schweiz, wo man erst einen Golf-Hochschulabschluss braucht, damit man überhaupt auf den Platz darf. An diesem zweiten Tag hat es mich gepackt. Als ich dann zurück im winterlichen Washington war, habe ich manchmal sogar im Skianzug geübt.

Weltwoche: Woher kommt das, dass Golfer jeweils so schnell von diesem Spiel angefixt sind?

Borer: Es ist eine psychologische Frage. Man spielt ja weniger gegen die Kollegen als vielmehr gegen sich selbst. Man hat ein Handicap, das die eigene Leistungsstärke definiert, und man weiss somit genau, wie gut man spielen müsste. Manchmal gelingt das, bravo, aber am nächsten Tag spielt man wieder miserabel. Dieses Hin und Her stachelt den Ehrgeiz natürlich gewaltig an.

Weltwoche: Hat es mit Masochismus zu tun?

Borer: Sagen wir lieber: Es ist eine permanente Herausforderung. Du bist erfolgreich im Beruf, du hast ein geordnetes Familienleben, du fährst einen Porsche, und du bist im Rotary Club. Wo gibt es für dich noch echte Herausforderungen? Auf dem Golfplatz.

Weltwoche: Haben Sie dieses Challenge-Denken aus den USA?

Borer: Klar, in den USA geht es auf dem Golfkurs immer um ein paar Dollar oder um ein paar Biere. Wichtiger aber ist, dass in den USA Golf ein Volkssport ist. Man darf auch in Jeans auf den Platz, was bei uns verboten ist, man braucht nicht, wie bei uns, ein T-Shirt mit Kragen, man braucht keinen Ausweis, und man kann am Wochenende für dreissig Dollar auf einem Platz spielen, der viel schöner ist als all die Anlagen, die bei uns 150 Franken kosten. Ich würde mir in diesem Sinne durchaus mehr Amerikanismus in unseren Golfklubs wünschen.

Weltwoche: Wie war es dann in Deutschland?

Borer: Als ich Botschafter in Deutschland wurde, entstanden rund um Berlin eine Menge neuer Golfplätze. Gespielt haben hier aber vor allem die Wirtschaftsvertreter. Politiker waren seltener, eine Ausnahme war etwa der damalige FDP-Parteichef Guido Westerwelle, der später Aussenminister wurde. Kanzler Gerhard Schröder spielte damals lieber Tennis, er begann erst vor fünf, sechs Jahren mit Golf.

«Es ist eine psychologische Frage. Man spielt ja weniger gegen die Kollegen als gegen sich selbst.»

Weltwoche: Wie ist es politisch-soziologisch in der Schweiz?

Borer: Zu den besten Anlässen, die ich kenne, gehören die Golfturniere unserer Parlamentarier, zu denen ich oft eingeladen bin. Hier spielen etwa Ruedi Noser aus der FDP und sein junger Nationalrats- und Parteikollege Andri Silberschmidt oder Thomas Rechsteiner von der Mitte aus Appenzell. Dann kommen auch alt Parlamentarier wie die früheren SVP-Nationalräte Hans Kaufmann und Maximilian Reimann. Es ist immer ein fröhlicher Aufzug.

Weltwoche: Nun, so wie das tönt, konnten Sie auf dem Golfplatz also eine Menge an Kontakten und Geschäften einfädeln.

Borer: Wir sind damit beim wohl grössten Mythos von Golf, der vorne und hinten nicht stimmt. Auf dem Golfplatz macht man keine Geschäfte. Und in aller Regel lernt man hier keine Top-Manager, Top-Politiker oder gar Top-Frauen kennen.

Weltwoche: Das ist jetzt etwas gar tiefgestapelt. Es ist schon ein Unterschied, ob man mit einem Geschäftspartner im Sitzungszimmer oder auf dem Golfplatz zusammen ist.

Borer: Gut, da gebe ich Ihnen recht. Ich arbeite heute ja primär für grosse Unternehmen und für Firmen im Private Equity. Wenn ich mit meinen Geschäftspartnern dann eine Runde spiele, führt das schon zu einer engeren Bindung. Ich war zum Beispiel mit bedeutenden Klienten von mir auf dem Oktoberfest – aber wir haben uns gesiezt. Dann war ich mit ihnen Golf spielen – seitdem duzen wir uns.

Weltwoche: Sagen wir es also so: Golf ist gut für die Kundenbindung, aber untauglich für Kundenakquisition.

Borer: Einverstanden. Der Mythos, dass man auf dem Golfplatz oder im Klubhaus das grosse Business aufgleist, ist schon aus einem einfachen demografischen Grund falsch: Das Durchschnittsalter des Golfers und der Golferin – und jetzt bin ich höflich – liegt bei etwa 75 Jahren. Das heisst, wer auf dem Golfplatz anzutreffen ist, der hat seine Karriere abgeschlossen. Die meisten sind has-beens.

Weltwoche: Golf also als Freizeitbetrieb rüstiger Rentner.

Borer: Ich muss aufpassen, was ich sage, ich bin auch schon 65. Aber ich weiss, ich sehe natürlich viel jünger aus.

Weltwoche: 65? Hätte ich nicht geschätzt. Sie sehen eher aus wie 64.

Borer: Haha. Was mich aber an Golf tatsächlich am meisten stört, ist diese altersbedingte Unsitte, dass die älteren Herren so unglaublich langsam spielen. Da studieren sie fünf Minuten an ihrer Puttlinie herum, als ob es um die US Championship ginge. Dabei geht es lediglich darum, ob sie an diesem gewöhnlichen Loch nun neun oder zehn Schläge brauchen. Da wird mir immer der alte Spruch klar: «Golf is not about life and death, golf is much more serious.»

Weltwoche: Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung schon erklären, warum Sie auf dem Golfplatz keine Geschäfte machen. So hastig, wie Sie jeweils dem Ball hinterherrennen, ist es schwierig, mit Ihnen überhaupt in Kontakt zu treten.

Borer: Ich ahne, worauf Sie hinauswollen. Man macht auf dem Golfplatz zwar keine Geschäfte, aber man kann herausfinden, mit wem man überhaupt Geschäfte machen möchte. Auf dem Golfplatz kann man seinen Charakter nicht verbergen.

Weltwoche: Das kann ich voll bestätigen. Auch der Charakter von Thomas Borer wird auf dem Golfplatz sehr schnell sichtbar.

Borer: Ungeduldig, temperamentvoll, manchmal etwas aggressiv, aber immer gut gelaunt, fröhlich, eher direkt und eher laut.

Weltwoche: Mhm.

Borer: Ich weiss, ich weiss. Viele Mitspieler haben mir nach einer Runde schon gesagt: «Deine Sprüche waren heute aber deutlich besser als deine Schläge.»

Weltwoche: Ist es für Sie, nach dreissig Jahren auf dem Platz, inzwischen mehr ein Spiel oder ein Sport?

Borer: Sport, eindeutig. In der Schweiz spiele ich oft frühmorgens. Ich renne dann wie verrückt über den Platz, dass alle anderen denken: Was ist denn das für ein Spinner? Ich habe für eine Golfrunde auch schon neunzig Minuten gebraucht. Andere brauchen fünf Stunden. Es ist Sport. Ich komme eben aus längeren Ferien in Thailand zurück. Ich habe dort an dreissig Tagen 28-mal Golf gespielt. Zweimal hat es geregnet.

«Man kann auf dem Golfplatz herausfinden, mit wem man Geschäfte machen möchte.»

Weltwoche: Und wie ist die aktuelle Formkurve?

Borer: Ich bin zufrieden. Ich bin bei Handicap dreizehn, das ist für mein Alter akzeptabel. Golf ist ja die einzige Sportart, wo man auch im Alter noch besser werden kann, wenn man genügend trainiert. In meinem Klub von Schloss Goldenberg im Zürcher Weinland hat es einige Spieler, die sind über neunzig Jahre alt. Die spielen jeden Tag. Das ist Sport.

Weltwoche: Es gibt auch keine andere Sportart, wo man auch als älterer Herr noch eine Menge Geld verdienen kann.

Borer: Nehmen Sie zum Beispiel Bernhard Langer aus Deutschland. Er ist genauso alt wie ich. Allein in den letzten zwei Jahren hat er auf der Profi-Tour um die sechs Millionen Franken an Preisgeld verdient. Dafür arbeite ich im Büro ziemlich lange.

Weltwoche: Was bei Profis wie bei Amateuren als eiserne Regel gilt: Nach der Runde geht es ab in die Bar und das Restaurant im Klubhaus.

Borer: Richtig. Nach der Runde nimmt man im Klubhaus zusammen ein Glas und dazu vielleicht eine Zigarre. Jeder hört nun dem anderen zu, wenn der erzählt, was er auf dem Platz richtig und falsch gemacht hat, dies unter der Bedingung, dass man dann auch ihm zuhört. Und hinterher erzählt man sich uralte Golfwitze, die jeder schon kennt, aber man lacht trotzdem. Ich liebe das: Golf ist für mich Lebensqualität.

Weltwoche: Nun ist der Golfplatz auch ein etwas spezielles Freizeitgelände. Wo sonst auf der Welt darf man als Mann noch leicht sexistische Witze über Frauen machen und eine zitronengelbe Hose mit violetten Streifen tragen?

Borer: Ja, und umgekehrt betrachtet, wo auf der Welt ist es absolut unbestritten, dass Frauen gegenüber uns Männern einen klaren Vorteil haben? Sie schlagen nicht hinten bei uns Männern ab, sondern deutlich weiter vorne, pro Runde etwa einen Kilometer weiter vorne. Aber wenn ich darf, dann würde ich hier gerne eine Lanze für die Frauen auf dem Golfplatz brechen.

Weltwoche: Thomas Borer als Frauenversteher, okay, schiessen Sie los.

Borer: Was ich schätze, ist, dass auch Damen in schon leicht fortgeschrittenem Alter schnell und zügig voranspielen. Der Grund liegt darin, dass sie etwas kürzer sind, aber fast immer kontrolliert und geradeaus auf die Spielbahn schlagen. Dies ist der Gegensatz zu mir, der maskulin draufhaut, so dass der Ball oft im Wald oder im hohen Gras landet. Und dann, das macht Golferinnen noch sympathischer, dann helfen sie mir, meinen Ball im Wald oder im hohen Gras zu suchen.

Weltwoche: Was für Männer jeweils besonders bitter ist: Wenn die Ehegattin besser spielt als er.

Borer: Was sehr oft vorkommt und was ans Ego geht. Das Problem hatte ich bis heute zum Glück noch nie.

Weltwoche: Das war’s. Danke für das Interview. Möchten Sie noch einen Schlusssatz anhängen?

Borer: Ja. Ich warne euch alle vor Golf. Golf ist wie ein Virus, das euch packt, das Virus werdet ihr nie mehr los.