Wenn ein Manager das Wort «Herausforderung» benutzt, bedeutet das, die Lage des Unternehmens, das er führt, ist ernst. «2020 war ein herausforderndes Jahr», sagte der CEO von Bally kürzlich in einem Video-Call. Die Pandemie habe natürlich spürbare Auswirkungen auf das Geschäft des Schuh-, Accessoire- und Modeunternehmens sowie auf die rund 1500 Mitarbeiter, über ein Viertel von ihnen am Firmensitz und in der Herrenschuhfabrik in Caslano im Tessin sowie anderswo in der Schweiz. Bloss schon deshalb, weil die 300 Ladengeschäfte respektive 800 Points of Sale (POS, Verkaufspunkte), in denen Waren der ehemaligen Schweizer Marke weltweit erhältlich sind, Covid-19-bedingt durchschnittlich zwei Monate geschlossen waren. Bally, 1851 in Schönenwerd im Kanton Solothurn gegründet, ist seit 2008 im Besitz der deutschen Unternehmerfamilie Reimann.

 

Rasche Erholung nach Shutdowns

 

Die Umsätze von Luxusmarkenanbietern dürften 2020 zirka 25 bis 35 Prozent unter denen des Vorjahres liegen, schätzen Branchenvertreter. «Bally ist von dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen», sagt der 46-jährige Franzose mit Arbeits- und Wohnort im Tessin, der das Unternehmen seit 2019 leitet (zuvor war er vier Jahre Ballys Chief Operation Officer). Dennoch ist Girotto weniger besorgt, als man annehmen könnte. Denn das Käuferverhalten gebe Anlass zur Zuversicht – nach dem Ende der Shutdowns zogen die Verkäufe jeweils wieder rasch und stark an. «Das zeigt, dass unsere Kunden Nachholbedarf verspüren und unsere Produkte wieder nachfragen, sobald dies möglich ist.» Was für die nähere Zukunft, wenn eine Mehrheit der Menschen in den Industrieländern geimpft sein wird, Hoffnung zulasse, sagt Girotto.

Freude bereite ihm gegenwärtig der Geschäftsgang im wichtigsten Markt für Bally – China. Eine zweite oder gar dritte Infektionswelle, wie sie in Ländern Europas oder in Nord- und Zentralamerika zurzeit verzeichnet werden muss, gab es dort (bisher) nicht. «Stand Mitte Dezember ist, dass wir in China 2020 6 Prozent mehr verkauft haben im Vergleich zum Vorjahr.» Girotto erklärt den robusten rebound, die Wende, damit, dass einerseits die chinesische Wirtschaft stark sei, andererseits Kundinnen und Kunden sich etwas Schönes gönnen möchten, dieses aber nun in den sechzig Bally-Läden im eigenen Land tun, da auch sie gegenwärtig kaum reisen. Die Schweiz ist der zweitwichtigste Bally-Markt (sieben eigene Geschäfte, fünf POS in Multi-Brand-Läden); das privat gehaltene Unternehmen gibt seit längerem keine Zahlen mehr bekannt, die jüngsten Angaben sind über zehn Jahre alt, 2008 erreichten die Verkäufe 400 Millionen Euro (50 Prozent Schuhe, 40 Prozent Accessoires, 10 Prozent Bekleidung).

Die Feststellung, die Marke sei im Grunde längst keine schweizerische mehr – deutsche Eigentümer, französischer Chef, italienische Designer am zweiten Sitz in Mailand, chinesische Käufer et cetera –, lässt er nicht gelten. «Bally war schon immer international ausgerichtet, ist aber im Kern, was die Werte betrifft, ein Schweizer Unternehmen geblieben», sagt er und erwähnt, dass bereits in den 1870er Jahren Läden in Montevideo, Uruguay oder Paris eröffnet wurden. Auch Japan sei ein Feld, das Bally erfolgreich bearbeite, und in jüngerer Vergangenheit habe man in Amerika wachsen können.

 

Digital und nachhaltig

 

Weiter habe die Pandemie das Geschäft im World Wide Web befeuert. «Wir waren bereits zuvor gut unterwegs mit unseren Online-Verkäufen, doch konnten wir die zurückliegenden Monate nutzen, um digital richtig Gas zu geben.» Von Bedeutung seien aber nicht nur die tatsächlich mittels Website erzielten Abverkäufe, sondern auch der Austausch mit den Kundinnen über diesen Kanal. Dieser ist wichtig für jeden Anbieter, vor allem aber für solche, die hohe Preise verlangen: Bally-Schuhe kosten um 500, Stiefel um 1000, Taschen bis 1500 Franken.

Was gibt es Neues im Haus beziehungsweise in den Geschäften, die in diesen Tagen des jungen Jahres 2021 offen haben? Ballys erste Recycling-Linie mit Namen B-Echo: sieben Taschen und Accessoires für Damen, die zu hundert Prozent aus wiederverwertetem Nylon sowie Besätzen aus Öko-Leder hergestellt sind. Wollte man streng sein, könnte man rückmelden, Bally zähle damit nicht gerade zu den Vorreitern der Branche. «Es war nicht unser Ziel, zu den Ersten zu gehören, die Waren aus rezykliertem Material anbieten», sagt er, stattdessen könne man die Nachhaltigkeit der Produktion garantieren, worauf er stolz sei.

 

 

 

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