Seien wir ehrlich: Golf ist nicht nur Sport, sondern vor allem auch ein Spiel. Natürlich das ehrwürdigste und komplexeste Spiel, das wir uns vorstellen können. Für die meisten von uns ein ständiges Nebeneinander von höchstem Genuss und fürchterlichster Qual – je nach Ballflug. Und in beiden Gefühlslagen, sowohl im Höhenflug wie auch in der Qual, hilft natürlich Alkohol.

Natürlich will ich niemanden in den Alkoholismus treiben. Und es geht mir nicht ums Trinken. Es geht um die sinnliche Erfahrung und um den Genuss, den wir selbst nach einem Fehlschlag immer noch erleben. Dieses Erlebnis will gelernt sein. Wer bei 30 Grad in Südeuropa auf dem Fairway steht und Whisky aus dem Flachmann schlabbert, dem sollte unverzüglich die Platzreife entzogen werden. Der gehört hier ebenso wenig hin wie ein Margarita-Cocktail in eine Klubhaus-Bar im schottischen Hochland. Jeder Platz, jedes Klima, jede Jahreszeit, jede Region und Kultur bedingen die passende Spirituose.

Beginnen wir auf der positiven Seite des Golfspiels. Den Sweetspot mit einem knackigen Geräusch getroffen, ein hoher Ballflug mit einem leichten Draw in Richtung Fahne, das satte Plopp auf dem Grün, der Spin greift, und der Ball liegt zum Birdie-Putt in Position. Emotional unbezahlbar. Selten. Wunderschön. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Der ambitionierte Golfer bleibt in dieser Situation ganz cool, kein Lächeln huscht über das Gesicht. Wir tun jetzt gern so, als wäre dieser Schlag die normalste Sache der Welt.

Und genau dies ist der Fehler. Feste gehören gefeiert. Es gibt nichts Schöneres, als ein gut gespieltes Loch mit einem kleinen Schluck aus dem Flachmann mit den Flight-Partnern zu feiern. Das Birdie-Wasser darf gerne auch mal ein Par-Wasser sein, denn das Ritual verstärkt das Gefühl, etwas Positives erlebt zu haben – und verstärkt den Genuss angesichts dieses Erlebens!

Der Philosoph Peter Sloterdijk hat einmal darüber nachgedacht, was den Menschen vom Tier unterscheidet. Es ist vor allem die Fähigkeit, Objekte über eine Distanz hinweg zu bewegen, das Werfen, Schleudern oder Schiessen. Das ist die biologisch-evolutionäre Ausnahmestellung des Menschen. Deshalb ist das Gefühl einer abgefeuerten Gewehrkugel, die in 400 Metern Entfernung im Ziel einschlägt, der Weitschuss aus dem Mittelfeld, der genau im Torwinkel platziert ist, oder eben auch ein gerader Abschlag mit dem Driver, der das Fairway teilt, für den Menschen so erhebend – und ja, tatsächlich erhaben, sublim. Der ästhetische Flug des Balls berührt uns tief im Innersten.

Umso schlimmer, wenn der Ball einmal nicht so fliegt, wie antizipiert. Der Shank ins Aus, der Hook ins Wasser, der getoppte Pitch. Die schlimmste Demütigung für die Golferseele – nicht weil der Score damit ruiniert ist, sondern weil wir die eigentliche Bestimmung dieses Golfballs und unsere originäre Bestimmung als Mensch nicht erfüllen konnten. Das Versagen angesichts einer schlampig ausgeführten Bewegung und des daraus resultierenden, regelrecht hässlichen Effekts für die Fortbewegung des Objekts zwingt uns in die Knie.

Jeder Golfer kennt diesen Moment. Ich empfehle eine besondere Technik, nämlich diesen Moment des gefühlten Versagens durch einen Moment des sinnlichen Genusses zu ersetzen. Auch hier hilft unser Flachmann. Warum sollte denn ein kleiner Schluck vom Glück nur als Belohnung eingesetzt werden? Warum nicht auch als Muntermacher – und vor allem Mutmacher?

Haben wir uns entschieden, ob wir unsere Seele mit Gin, Aquavit, Obstbrand, Rum, Single Malt oder Absinth einbalsamieren wollen, dann sollten wir auf die entsprechende Qualität achten. Wer Tausende von Euro für den korrekten Schlägersatz für angemessen hält, der sollte auch bei der Wahl des flüssigen Begleiters nicht sparen und daher Industriespirituosen meiden. Die Destillation eines guten spirits ist so kompliziert wie der Golfschwung. Vergärungstechnologie, Hefen, Enzyme, Kontrolle des Gärverlaufs, Mazeration, Destillationstechnik, Reifung und Vermählung wollen gelernt sein. Lasst uns daher in gute Tröpfchen investieren, die ein wirkliches Erkennen von Perfektion zum Genuss machen.

Und schliesslich: die Hardware. Der gute Tropfen gehört in ein angemessenes Gefäss. Beim Golfen bietet sich der Flachmann an. Traditionelle Flachmänner gibt es aus Glas, Zinn oder Silber, wobei Letzterer natürlich dem golferischen Finanzadel vorbehalten bleibt.

Weil ich es gerne nostalgisch mag, bin ich ein grosser Freund der englischen Zinnflachmänner, die seit der industriellen Revolution in der Gegend von Sheffield hergestellt werden. Zinn hat, im Gegensatz zu Silber, nur wenig Eigengeschmack, ist robust und bezahlbar.

Christoph Keller ist ein deutscher Verleger. Er betrieb gemeinsam mit seiner Frau bis Ende 2018 die Brennerei Stählemühle in Baden-Württemberg.