Bekannte Frauenrechtlerinnen befürworten einen Burka-Bann. Die Feministin Alice Schwarzer bezeichnet das Kleidungsstück als «Leichentuch der Frau». Frauenrechtlerin Julia Onken findet: «Keine Frau trägt freiwillig eine Burka.» Menschenrechtsaktivistin Saïda Keller-Messahli erklärt, die Botschaft der Verhüllung sei, dass «die Frau, ihr Gesicht im öffentlichen Raum nichts zu suchen hat». Alle stimmen überein, dass die Vollverschleierung kein religiöses, sondern ein politisches Symbol darstelle. Es gehe um elementarste Menschenwürde.

Zu einer anderen Beurteilung von Burka und Nikab kommt Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Ein Grund dafür ist eine neue Studie der Universität Luzern. Diese zeige, dass «Frauen, die in der Schweiz einen Nikab tragen, dies meist freiwillig tun», dozierte die Justizministerin bei der Lancierung der Abstimmungskampagne gegen das Verhüllungsverbot. Frauen zögen den Nikab aus verschiedenen Gründen an, nicht nur aus religiösen, sondern – aus Sicht der Nikab-Trägerinnen – sogar aus feministischen Gründen, um sich etwa «vor der Sexualisierung im Alltag zu schützen». Überhaupt: Es sei umstritten, ob die Burka ein Symbol von Radikalisierung sei.

Verhüllte Frauen als emanzipierte und feministische Vorreiterinnen? Was ist das für eine Studie, die ein solches Fazit zieht? Wie sind diese Einschätzungen entstanden, die der freisinnigen Magistratin die Sicherheit geben, dass die Frauenrechtlerinnen total danebenliegen?

 

Fast sympathisch

 

Verfasst hat den Bericht «Verhüllung – Die Burka-Debatte in der Schweiz» das Zentrum Religionsforschung (ZRF) an der Uni Luzern. Verantwortlich für den Bericht zeichnet Andreas Tunger-Zanetti, der als Koordinator des ZRF, Forscher und Dozent die Analyse zusammen mit Studentinnen erstellte.

Beim Lesen zeigt sich Erstaunliches: Die Beurteilungen gründen sich auf ein Gespräch mit einer Frau. Mit ihr konnten die Verfasser per Audiokanal während fünfzig Minuten sprechen. Sie erzählte den Luzerner Wissenschaftlern, der Entscheid, einen Gesichtsschleier zu tragen, sei «ein individuelles, persönliches und von äusseren Einflüssen oder Zwängen freies Bestreben».

Weiter gab sie zu Protokoll, weshalb sie sich verschleiere: «Es sind eigentlich diese beiden Aspekte: Zum einen der Selbstschutz, Abgrenzung nach aussen, dass ich klar signalisiere: ‹Ich will keinen Kontakt mit irgendwelchen anderen Männern›, dass ich das begrenze aufs Notwendige. Und zum andern, dass mein Aussehen meinem Mann vorbehalten ist.»

Das Gesicht wollte die Person nicht zeigen, da beim Interview ein Mann im Raum zugegen war. Die Aussagen einer Frau, die sich nicht zu erkennen gibt, die die Gelehrten nicht persönlich trafen, reichen den Forschern unter anderem aus, zum Schluss zu kommen, dass «Nikab-Trägerinnen grossmehrheitlich im Westen sozialisiert, durchschnittlich bis sehr gut gebildet sind und den Nikab aus eigener Überzeugung tragen», wie es in der Medienmitteilung der Universität Luzern zur Analyse heisst.

Die Wissenschaftler feiern die Auswertung des Gesprächs mit der angeblichen Nikab-Trägerin gar als «eigenen, neuen Forschungsbeitrag». In einer etwas naiven, fast wieder sympathischen Art räumt Tunger-Zanetti allerdings bereits im Vorwort der Studie ein, dass er und seine Leute dem Burka-Anliegen «skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen». Das sei ihnen unbenommen. Dass die Universität diesen eher politischen Beitrag zur wissenschaftlichen Leistung hochstemmt, irritiert schon eher.

 

Gewaltige Herausforderungen

 

Den eigentlichen Flop produzierte jedoch die Entourage von Keller-Sutter. Von den Heerscharen von Public-Relations- und Kommunikationsspezialisten las offensichtlich niemand die Untersuchung. Dass die Bundesrätin eine solche «Studie» an einem Point de Presse als ein Killerargument gegen das BurkaVerbot auftischt, ist – vorsichtig formuliert – fragwürdig. Ihre Medienstelle schreibt auf Anfrage denn auch nur: «Die Studie der Universität Luzern ist die erste ihrer Art und stützt die Argumente des Bundesrats.»

Statt über die gewaltigen Herausforderungen zu reden, die der Islamismus darstellt, werden Befürworter des Anliegens lieber als islamophob verunglimpft. Keller-Sutter tadelte die Initianten, sie wollten «über den Islam diskutieren». Will heissen, die grosse Mehrheit der gemässigten muslimischen Menschen, die hierzulande leben, ist vom Volksbegehren ebenfalls betroffen, auch wenn diese sich nie verhüllen würden. Umgekehrt haben Bürger, die Burkas ablehnen, generell etwas gegen Muslime. Keller-Sutter gewinnt mit dieser Taktik vielleicht die Abstimmung. Dem Zusammenleben in der Schweiz tut sie aber keinen Gefallen.

Es braucht eine ernsthafte Diskussion über die entscheidende Frage, die der Souverän am 7. März beantworten kann: Hilft das Burka-Verbot dem Ansinnen der Initianten, den Islamismus in der Schweiz besser in Schach zu halten? Oder gibt es andere, zielführendere Ideen? Klar ist: Von Bundesräten zitierte Voodoo-Studien helfen nicht weiter.