57 Prozent der Deutschen wollen sofortige Neuwahlen des Bundestags. Dies ergab eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der Bild-Zeitung. Hintergrund ist das Zerbrechen der Ampelkoalition unter Kanzler Olaf Scholz und die dafĂŒr notwendige Vertrauensfrage der Regierung. Lediglich 22 Prozent der Befragten unterstĂŒtzen Scholzâ Vorschlag, erst im MĂ€rz Neuwahlen abzuhalten. Nur 12 Prozent plĂ€dieren fĂŒr den regulĂ€ren Wahltermin im September 2025.
Die Umfrage zeigt auch eine deutliche Abneigung gegenĂŒber der bisherigen Regierungskoalition: Zwei Drittel der Befragten begrĂŒssen das Ende der Ampelkoalition. Im Hinblick auf die Schuldfrage sehen 34 Prozent die Verantwortung gleichermassen bei Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (GrĂŒne). 27 Prozent sehen Scholz als Hauptverantwortlichen, 25 Prozent machen Lindner verantwortlich, 7 Prozent Habeck.
NatĂŒrlich hat die gesamte Opposition mit CDU-Kanzlerkandidat Friederich Merz an der Spitze recht, wenn sie Nochkanzler Olaf Scholz drĂ€ngt, nicht erst im Januar, sondern genau jetzt die Vertrauensfrage zu stellen. Das Ziel wĂ€re, die Abstimmung zu verlieren und damit den Weg fĂŒr Neuwahlen freizumachen.
Doch auffĂ€llig ist: Die deutsche Verfassung kennt einen zweiten Weg, eine mehrheitslose Regierung aus dem Amt zu drĂ€ngen. Und die diskutiert gerade keiner â was genau einen Grund hat: Die AfD wĂŒrde dazu gebraucht.
Es geht um das konstruktive Misstrauensvotum, dass die Abgeordneten des Bundestags dem Kanzler erklĂ€ren könnten. Es ist stets verbunden mit der Neuwahl eines anderen Kanzlers. Zwischen Abwahl und Neuwahl, dĂŒrfen nicht mehr als 48 Stunden liegen, und der Kandidat braucht eine absolute Mehrheit im Bundestag. Hinter dieser ausgeklĂŒgelten Regelung steht die Erfahrung aus der Weimarer Republik, die lautete: StĂŒrzen ist einfach, neu wĂ€hlen schon schwieriger.
Das Problem fĂŒr Merz, wenn er den Sturz so organsierte: FĂŒr die Neuwahl brauchte er mindestens 367 Ja-Stimmen fĂŒr sich im Parlament, was dann eine Mehrheit wĂ€re. Da sich mutmasslich weder GrĂŒne noch SPD an seiner Wahl beteiligen wĂŒrden, funktioniert das nicht. Es sei denn: Er setzt auf die AfD. Das aber wiederum ist ein politisches Tabu, eine «Brandmauer», wie Merz es selbst nennt.
TatsĂ€chlich wĂ€re es wahrscheinlich politischer Selbstmord, weil Merzâ eigene Partei diesen Weg nicht mitgehen wĂŒrde und der bislang unangefochtene Kandidat selbst ins Straucheln kĂ€me. Allerdings gehört es zur Aufrichtigkeit dazu, auch diesen Weg zum Regierungswechsel aufzuzeigen und den staunenden WĂ€hlern zu erklĂ€ren, wo genau die inhaltlichen GrĂŒnde liegen, warum ihn keiner beschreitet.