Warum putschen, wenn man auch das Wahlrecht ändern kann.
Der Vorgang ist unter Demokraten so ungeheuerlich, dass eigentlich ein saftiger Aufstand durch Deutschland fegen müsste, wenn sich die Deutschen denn der Wurzeln von Freiheit, Recht und Wohlstand bewusst und zur Verteidigung derselben entschlossen wären.
Mit einfacher Mehrheit hat die Ampel-Koalition der Bundesregierung am Freitag im Grunde die politische Nachkriegsordnung auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Als hübsches Deckmäntelchen dient die Verkleinerung des zuletzt auf 736 Sitze aufgeblähten Bundestages. Die künftige Verkleinerung auf 630 Mandate wird unter anderem durch die Streichung der sogenannten Grundmandatsklausel erreicht, nach der Parteien auch unterhalb der Fünfprozenthürde in Fraktionsstärke ins Parlament einziehen, wenn sie mindestens drei Wahlkreise direkt gewinnen.
Vor allem für SPD und Grüne bietet dieser Schachzug den netten Nebeneffekt, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit die ehedem abgespaltene Linkspartei aus dem Hohen Hause kegelt und bei schlechtem Abschneiden sogar die Bayerische CSU aus dem Berliner Regierungsviertel verschwinden könnte. 2021 errang sie 5,2 Prozent, 0,3 Prozentpunkte weniger, und 46 gewonnene Direktmandate werden zur parlamentarischen Nullsumme im Reichstag.
«Es ist kein Naturgesetz, dass die CSU im Deutschen Bundestag vertreten ist, nur weil sie es bisher war», gluckst der frühere SPD-Vizechef Ralf Stegner bei mir im aktuellen Interview schon bei dem Gedanken an die bereinigten Sitzreihen genüsslich.
Lediglich der FDP, die nicht weit davon entfernt ist, selbst vom neuen Wahlrecht demnächst betroffen zu sein und ins parlamentarische Aus verabschiedet zu werden, hätte man so viel Demokratieverständnis zugetraut, dass Wahlrecht nicht über ganze Bevölkerungs- und Landesteile hinweggehen darf, wenn es fair und gerecht sein soll.
Und noch ein geradezu aberwitzig irres Novum findet sich im neuen Wahlrecht: Erhält eine Partei mehr Direktmandate, als sie per Zweitstimme haben «darf», bekommt der Wahlkreisgewinner sein Mandat nicht, was mit einer freien, gleichen und unmittelbaren Wahl nun gleich gar nichts mehr zu tun hat.
«Schurkenstück» nannte denn auch die ansonsten so bürgerlich-biedere FAZ diesen Coup d’Etat, den man einem Viktor Orbán oder der Regierung in Warschau nie hätte durchgehen lassen.
Was sich in dem symbolischen Beschluss, die Union aus der Mitte des Parlaments auf die rechte Seite neben die AfD zu setzen, gleich zu Beginn der Legislaturperiode schon abzeichnete, wird hier konsequent fortgeführt: Eine linksdominierte Regierung versucht, sich via Wahlrecht ohne Skrupel möglichst dauerhaft Macht und Mehrheiten im Parlament zu sichern, um nicht zur Episode im Kanzleramt zu werden.
Motto: Alle Macht den Mächtigen.
Ralf Schuler ist Politikchef bei Rome Medien und betreibt auf Youtube den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch heisst: «Generation Gleichschritt» (Fontis Verlag, Basel)
Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.
Es ist nur noch langweilig Berichte über Deutschland und oder Deutsche Regierung zu lesen, nicht einmal zum Zeitvertreib!
Wenn die AfD ihre Nazi-Schreihälse ausdünnt, könnte sie zur stärksten Partei in D werden: Viele enttäuschte Bürger aus der Ampelkoalition wechseln zur AfD. Ob die dann in der Realpolitik, Problemlösungen statt neue Probleme schaffen, besser agiert, ist allerdings auch fraglich.
Nein, es hat mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 nichts zu tun - aber dennoch erinnert es ein bisschen daran... Wehret den Anfängen.