Harris macht den Biden. Wie ihr Boss im Wahlkampf 2020 versteckt sie sich vor den Medien.

Bloss: Anders als damals herrscht jetzt keine Covid-Pandemie. Nach einem Monat Blackout gab Harris schliesslich nach – und willigte zu einem TV-Interview ein. Mit CNN, einem Sender, der traditionell den Demokraten nahesteht.

Die Spannung war gross. Denn Harris’ Bilanz – von der Wirtschaft über die Grenz- und Energiefrage bis zur Aussenpolitik – ist eine Katastrophe. Und: Seit Harris ins Rennen eingestiegen ist, hat sie wie ein Chamäleon bei Kernthemen spektakulär die Farbe gewechselt.

Entsprechend gross war letzte Nacht die Enttäuschung: Was Harris vor dem Publikum abzog, war die Fortsetzung ihrer Strategie: Ausweichen, Verdrehen, Verwirren.

Drei Beispiele:

1. Grenze: 3,5 Jahre Massenmigration. Rekordzahlen illegaler Grenzübertritte. Tödlicher Drogenfluss in die USA. Was sagt Harris zu diesem Debakel?

Sie schiebt die Schuld weiter. Wem? Trump, natürlich. Warum? «He killed the bill!» Er habe die Biden-Harris-Grenzvorlage zerstört.

Wie? Er habe «seine Leute im Kongress» angewiesen, die Vorlage zu torpedieren. Donald Trump, der längst aus Amt und Würden ausgeschieden ist, ist offenbar mit mirakulöser Superpower ausgestattet.

Doch aufgepasst! Wenn Harris einmal Präsidentin ist, dann werden neue Saiten aufgezogen: «Um es klar zu sagen: In diesem Rennen bin ich die einzige Person, die grenzüberschreitende kriminelle Organisationen, die mit Waffen, Drogen und Menschen handeln, strafrechtlich verfolgt hat.» Wie genau? Harris versteckte sich im Vagen.

2. Fracking: Harris ist bekannt als resolute Gegnerin der alternativen Ölfördertechnik, die Trump massiv forciert hat. «Es steht ausser Frage, dass ich für ein Fracking-Verbot bin», erklärte Harris 2019, als sie noch für das Amt der US-Präsidentin kandidierte. (Die Kandidatur scheiterte kläglich.)

Jetzt präsentiert sich Harris plötzlich als Pro-Fracking-Kandidatin. Sie habe ihre Meinung nie geändert, behauptet sie. «Das habe ich auf der Debattenbühne im Jahr 2020 deutlich gemacht, dass ich Fracking nicht verbieten werde», so Harris im CNN-Interview.

Falsch. Während der Vize-Debatte (gegen Mike Pence) sagte Harris bloss: «Joe Biden wird das Fracking nicht beenden, das hat er sehr deutlich gesagt.» Kein Wort über ihre eigene Position.

Typisch. Harris versteckt sich. Sie täuscht das Publikum. Aber CNN hakte nicht nach.

3. Prioritäten: Eine populäre und einfache Frage für Kandidaten lautet: «Was machen Sie an Tag eins ihrer Präsidentschaft?» Harris reagierte mit einem Worterguss, der richtungslos dahinplätscherte. Bis es selbst der CNN-Reporterin zu bunt wurde.

«Was also würden sie tun? An Tag eins?»

Die Antwort war ein Kronjuwel in der Kamala-Harris-Plattitüden-Sammlung: «Zum Beispiel die Erhöhung der Steuergutschrift für Kinder auf 6000 Dollar für Familien im ersten Lebensjahr ihres Kindes, um ihnen beim Kauf eines Autositzes, von Babykleidern oder eines Kinderbettes zu helfen.»

Irgendwann gelobte Harris auch noch die «Stärkung der Mittelklasse». Doch CNN fühlte ihr nicht auf den Zahn. Dabei ist die wirtschaftliche Misere der Mittelklasse die Folge der «Bidenomics», die Harris offenbar immer noch toll findet.

Kurzum: Nach dem Interview, das eine knappe halbe Stunde dauerte, ist Harris so unfassbar wie zuvor.

Statt kritischen Journalismus lieferte CNN einen Werbespot für Kamala Harris. Vor, zwischen und nach dem dreiteiligen Interview strahlte der Sender vorproduzierte Homestory-Segmente aus, die daherkamen wie ein Netflix-Trailer für «Retterin des Universums».