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Sie sitzt zwar in der Opposition, aber regiert dennoch mit: Thüringens CDU senkt die Steuern. Bravo!

Gemeinsam mit den Stimmen von FDP und AfD beschloss der Erfurter Landtag am Donnerstag gegen die rot-rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine Senkung der Grunderwerbssteuer von 6,5 auf 5,0 Prozent. Wegen der Beteiligung der AfD an der Abstimmung ist in der rot-rot-grünen Regierung von einem «einzigartigen Vorgang», einem «Pakt mit dem Teufel» und Bruch der sogenannten Brandmauer die Rede.

Am Ende stimmten 46 Abgeordnete mit Ja, 42 mit Nein. Niemand enthielt sich.

Das wollte die CDU: Es gehe ihm um die Entlastung vor allem von Familien beim Erwerb des eigenen Heims, um Impulse für die angeschlagene Bauwirtschaft, begründete CDU-Fraktionschef Mario Voigt die CDU-Initiative und verweist auf Unterstützung der Industrie- und Handelskammern. Thüringen gehört zu den Bundesländern mit dem höchsten Steuersatz beim Immobilienerwerb. Das Gesetz liege seit langem auf dem Tisch, seine Fraktion habe auf Vorschläge von Rot-Rot-Grün vergeblich gewartet. «Wir können doch die Lösung von Problemen nicht davon abhängig machen, dass die falsche Seite mit Zustimmung droht. Die Leute draussen erwarten, dass man sich um deren Themen kümmert. Unser Vorschlag liegt seit zwei Jahren auf dem Tisch, jetzt wird abgestimmt», sagte Voigt.

Auch FDP-Landeschef Thomas Kemmerich stellte sich ausdrücklich hinter das Projekt. Die Steuersenkung käme «einem doppelten Konjunkturprogramm gleich», so Kemmerich, weil sie die Käufer entlaste und das stark unter Druck stehende Baugewerbe ankurbele. Im Übrigen hätten FDP, SPD und Grüne auf Bundesebene ebenfalls steuerliche Erleichterungen beim Grunderwerb in ihrem Koalitionsvertrag stehen.

Voigt hält es für offenkundig, dass die rot-rot-grüne Koalition von Ramelow, die seit Amtsantritt 2020 keine Mehrheit im Landtag hat, den Vorschlag deshalb ablehne, um der CDU eine Falle zu stellen. «Es geht darum, die CDU in eine Ecke zu drängen und die Abstimmung zu skandalisieren.» Es habe keine Gespräche mit der AfD gegeben, es bestehe keine Zusammenarbeit, die Brandmauer stehe. «Wir haben eine sehr klare Haltung zu Herrn Höcke und der AfD. Wir werben für unsere Positionen und stimmen keinem Antrag der AfD zu», sagte Voigt. Zudem habe auch Rot-Rot-Grün bereits mit der AfD gestimmt: bei einer Änderung der Kommunalordnung und der Änderung eines Untersuchungsausschuss-Auftrags zur Personalpolitik der Regierung.

Die Fraktionsspitzen von Linke, SPD und Grünen haben in den vergangenen Tagen immer wieder davor gewarnt, der AfD Gestaltungsspielraum bei einer Steuersenkung und damit beim Landeshaushalt zu geben. Die CDU nehme wissentlich und willentlich in Kauf, dass die Senkung der Grunderwerbsteuer nur möglich sei, wenn die AfD zustimme, sagte SPD-Chef und Innenminister Georg Maier. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach von keiner neuen Entwicklung, dass die CDU in Thüringen teils aus Angst, teils aus Überzeugung an Distanz zur AfD verliere. Die Bundes-CDU verfüge über keinerlei Autorität, den von Friedrich Merz ausgerufenen Kurs der AfD-Abgrenzung bei den Parteifreunden in Erfurt durchzusetzen.

Die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien vom eher liberalen Flügel sprang ihren Thüringer Parteikollegen zur Seite: «Den wichtigen Kampf gegen Rechtsextremismus für parteipolitische Scharmützel innerhalb der demokratischen Mitte zu missbrauchen, schadet unserem Land und nützt der AfD», erklärte die Schleswig-Holsteinerin gegenüber Bild. Die Grunderwerbssteuer zu senken, sei ein vernünftiges politisches Ziel, um Entlastung für Familien zu schaffen: «Es muss der CDU möglich sein, ohne die ständige Unterstellung von Nähe zur AfD konstruktive Oppositionsarbeit zu machen.»

Ein Sprecher von Parteichef Merz sagte, mit dem Antrag erfülle die Thüringer CDU ihre Pflicht, entsprechend dem Votum ihrer Wähler eigene Lösungsansätze in die politische Beratung einzubringen: «Wie sich andere Fraktionen dazu im Nachgang verhalten, liegt nicht in ihrer Kontrolle.»

Thüringen ist ein politischer Sonderfall: Der rot-rot-grünen Koalition fehlen seit ihrem Amtsantritt 2020 vier Stimmen für eine eigene Mehrheit. Es gibt weder eine Duldung noch eine Tolerierung – Ramelows Regierung ist bei allen Entscheidungen auf Kompromisse mit der Opposition angewiesen. Beim Haushalt war das bisher die CDU, die die grösste Oppositionsfraktion stellt, nachdem die Fraktion von Björn Höcke einige Abgeordnete verlassen haben.

Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Pommer hat in einem Brief an alle sechs Fraktionen für ein Vertagen der Steuerentscheidung geworben. Sie führte verfassungsrechtliche Bedenken zu einzelnen Passagen an, die vom wissenschaftlichen Dienst des Landtags geprüft werden sollten. «Diesen Vorschlag bitte ich als Versuch zu verstehen, die weitere innerparlamentarische Debatte zu versachlichen und der Bindung auch des Landtags an Recht und Gesetz bestmöglich Rechnung zu tragen», heisst es in dem Brief. Kritische Bemerkungen zu Steuersenkungen kamen vom Landesrechnungshof.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.