Dieser Beitrag ist ein Auszug von der Redaktion aus: «Klimakrise als Höhepunkt technokratischer Krisenpolitik: Weitere Aushöhlung oder Ende der Demokratie?». Er erschien zuerst auf der Seite von Günter Roth.

 

Meist wird in den deutschen Medien behauptet, die These einer primär durch Menschen verursachten dramatischen Klimaerwärmung werde unter naturwissenschaftlich Forschenden nicht in Frage gestellt. Dazu zeigt aber eine 2023 unter Leitung von Yonatan Dubi von der School for Sustainability and Climate Change der Ben-Gurion University erstellte Analyse von ca. 3000 gutachtergeprüften klimawissenschaftlichen Aufsätzen, dass dem willkürliche Interpretationen zugrunde liegen. So lehnen zwar tatsächlich sehr wenige Beiträge (<0,2 Prozent) die herrschende These ab, der Grossteil (70 Prozent) zeigt sich dazu aber neutral oder unsicher und nur 30 Prozent unterstützen diese explizit oder implizit.

Nach einer Befragung aller naturwissenschaftlich zu Klimafragen forschenden Professorinnen und Professoren in Deutschland bejahten 2019 zwar 63 Prozent von 131 Antwortenden, dass der Klimawandel der letzten fünfzig Jahre «überwiegend vom Verhalten des Menschen beeinflusst» sei; 30 Prozent der Antwortenden meinten aber, dass zu gleichen Teilen natürliche und menschliche Faktoren ursächlich seien, eine Person (1 Prozent) sagte «überwiegend natürlich», 6 Prozent, das könne man nicht sagen.

Im Übrigen ist Mehrheit oder Konsens in der Wissenschaft kein Beleg für «Wahrheit», und es genügt eine Studie oder ein Argument, um Annahmen zu widerlegen. Gerade in der Umweltbewegung sollte zudem in guter Erinnerung sein, dass der wissenschaftliche «Mainstream» zur Atomenergie lange einhellig positiv war und kritische Thesen und Dissidenten durchweg diffamiert, tabuisiert oder ausgeschlossen wurden.

Gewissheit oder Unsicherheit in der Klimaforschung?

Weiter zeigt eine Inhaltsanalyse des fünften Berichts des sogenannten Weltklimarates (IPCC) durch Hassler, Maurer und Oschatz 2016, dass 57 Prozent der darin enthaltenen Aussagen Hinweise zu Unsicherheit oder Wahrscheinlichkeiten enthielten, wobei nur 7,6 Prozent aller Aussagen (mit Angaben von Wahrscheinlichkeiten) unter der üblichen Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 Prozent bleiben. Der sogenannte «Weltklimarat» bezeichnet aber auch Annahmen mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5-10 Prozent als «sehr wahrscheinlich», obwohl diese nach wissenschaftlichen Standards verworfen werden müssten. Zudem wurden in Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger Aussagen als völlig sicher zugespitzt. Auch bejahten in der bereits erwähnten Befragung von zu Klimafragen Forschenden in Deutschland nur ca. 20 Prozent der Antwortenden, dass die Voraussetzung der Berechenbarkeit des Klimas als Grundlage von Prognosen bereits erfüllt sei, 60 bis 80 Prozent erachteten dieses zwar für die Zukunft als möglich, gut 20 Prozent meinten aber, dass Klimamodelle nie präzise genug werden könnten.

Zudem bejahten 72 Prozent der befragten deutschen Forscherinnen und Forscher, dass der Öffentlichkeit deutlicher übermittelt werden sollte, dass viele Fragen des Klimawandels noch ungeklärt seien. Insofern erscheint es fraglich, inwiefern der IPCC als wissenschaftliche oder als politische Interessenorganisation eingestuft werden sollte, wobei Letzteres aber deren Objektivität und Glaubwürdigkeit untergräbt.

Der Trend zur «engagierten» Wissenschaft scheint übrigens unaufhaltsam: So sieht es laut einer Befragung des Deutschen Hochschulverbandes sogar in den Naturwissenschaften bereits eine Mehrheit, insbesondere Jüngere, als Aufgabe der Wissenschaft, nicht nur Wissen zu generieren und zu verbreiten, sondern gesellschaftliche Probleme oder Missstände zu beheben, Debatten anzustossen und politische Beratung zu leisten.

Selektive Rezeption von Forschung durch Medien und Politik

In Medienberichten werden Aussagen des IPCC zum Klimawandel selektiv berichtet. Das zeigen Inhaltsanalysen durch Hassler, Maurer und Oschatz 2016. Insgesamt wurden nur 37 Prozent der Aussagen des IPCC mit Angaben zu Wahrscheinlichkeiten oder Unsicherheiten in Medienberichten korrekt wiedergegeben, 43 Prozent liessen diese Angaben weg, 17 Prozent schwächten sie ab, 4 Prozent verstärkten sie. Das Unterschlagen trat umso häufiger auf, je grösser die Unsicherheit der Aussagen im IPPC-Bericht war. Wenn es nach der Bedeutung der Unsicherheit für das korrekte Verständnis des Sachverhalts ginge, müsste es genau umgekehrt sein. Das bedeutet, es liegt eine bewusst verzerrte Medienberichterstattung zum Klimawandel vor.

Besonders stark ist diese Tendenz gemäss der Analyse bei linksliberal-orientierten Medien, im Fernsehen und bei politischen Akteuren. Auch die Themenauswahl der ARD-«Tagesschau» folgt diesem Bias (Verzerrung; N.H.) und lässt dafür die im Volk vorrangigen wirtschaftlichen Sorgen in den Hintergrund rücken.

Entsprechend erhalten Klimaforschende in deutschen Medien viel mehr Resonanz, wenn sie die Unausweichlichkeit des Klimawandels betonen, während Forschende, welche Unsicherheit sehen, weniger Kontakte und Resonanz in Medien angeben. Der Kontakt zu Medien wird von Forschenden als förderlich für die eigene Karriere erachtet.

Insofern könnten durch die verzerrte Sicht von Medien Rückwirkungen auf die wissenschaftliche Forschung entstehen, was die Ergebnisse einer experimentellen Befragung aus dem Jahr 2016 nahelegen: Demnach würden die zu Klimafragen Forschenden Ergebnisse, welche den Klimawandel weniger dramatisch erscheinen lassen, zurückhalten, während sie Ergebnisse, welche den Klimawandel dramatischer erscheinen lassen, eher veröffentlichen würden. Dazu passt die Selbstanzeige des kalifornischen Klimawissenschaftlers Patrick T. Brown, er habe Ergebnisse im Sinne der herrschenden Meinung zugespitzt und andere wichtige Aspekte weggelassen, um die Chancen zur Annahme in einem Top-Journal zu wahren.

Der herrschende «Bloc Bourgeois»

Als Hintergrund muss zuallererst die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Auswahl und soziale Zusammensetzung herrschender Eliten hochgradig verzerrt ist: So haben 87 Prozent der Mitglieder des 20. Deutschen Bundestags einen akademischen Abschluss, ‹einfache Arbeitende› oder ärmere Menschen kommen hier kaum vor.

Ähnliche Verzerrungen finden sich für praktisch alle gesellschaftlichen Bereiche, unter anderem in Wirtschaft oder Verwaltung. Auch Medienschaffende haben durchweg eine akademische, meist mehrsprachige Sozialisation durchlaufen und stammen vorwiegend aus privilegierten sozialen Schichten (vor allem der Bildungsbourgeoisie), woraus ähnliche Lebensweisen, Habitus und Einstellungen resultieren, während das «einfache Volk» auch hier kaum aktiv vertreten ist. Da sich hochrangige Journalistinnen und Journalisten wiederum häufig in der Nähe politischer oder ökonomischer Eliten aufhalten (bei Konferenzen, Empfängen, Preisverleihungen, Festen usw., und internationalen Organisationen wie Weltbank, IPCC usw., oder Think-Tanks wie Weltwirtschaftsforum, Atlantikbrücke), überrascht die grosse Übereinstimmung politischer Ansichten von Spitzenjournalisten und Regierungen nicht, wie es Uwe Krüger 2015 für die Aussen- und Sicherheitspolitik aufzeigte.

Besonders bei Fragen von Krieg und Frieden oder in Krisen wie Covid-19 stützen grosse Leitmedien weitgehend die Sichtweisen von Regierungen. Nicht zuletzt fördern «Karriereanreize» und Privilegien die oft unbewusste Anpassung von Medienschaffenden, indem «Hintergrundinformationen», «Exklusivinterviews», Aufträge zur Moderation oder Stellen bei der Regierung als Sprecherin oder Sprecher winken oder die Begleitung im Regierungsflieger. Ähnliche Strukturen, Anreize und Druck zur Anpassung wirken nicht zuletzt in der Wissenschaft, deren Aufträge und Gelder in erster Linie vom Staat oder «Big Business» kommen (oder «gemeinnütziger» Stiftungen von Superreichen).

Konzentration und Verzerrung von Informationsmärkten

Auch in an sich freien Gesellschaften kann sich Propaganda als Mehrheitsmeinung durchsetzen, indem unauffällige «Filter» wirken, während eine gewisse Vielfalt an Meinungen innerhalb von Grenzen des Zulässigen randständig erhalten bleibt. Zuallererst wirkt dabei die enorme Konzentration an Kapital: «Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten», so der Journalist Paul Sethe.

Zwar sind ökonomische Interessen konkurrierend, es gibt aber auch Gemeinsamkeiten wie «freie» Märkte wozu zum Beispiel Springer ein Bekenntnis in Arbeitsverträgen verlangt. Insgesamt ist eine erhebliche Konzentration von Meinungsmärkten ein Problem für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft: In Deutschland decken nur fünf Konzerne über 54 Prozent des «Meinungsmarkts» (Internet, Fernsehen, Radio, Zeitungen) ab, die öffentlich-rechtlichen (staats- und regierungsnahen) Anstalten ca. 30 Prozent. Extrem ist die Konzentration bei Nachrichtenagenturen, wo nur eine Handvoll international tätig ist. Deren Beiträge werden oft global übernommen.

Auch der Informationsmarkt Internet ist hoch konzentriert, schätzungsweise 84 Prozent aller Suchanfragen im Internet entfallen auf Google und 86 Prozent der gesamten Nutzung auf 0,003 Prozent der Domains. Google, Youtube etc. unterdrücken oder zensieren zudem exzessiv Informationen wie in der «Corona-Krise».

Eine ähnliche Konzentration lässt sich auch für wissenschaftliche Publikationen zeigen, wo fünf Konzerne über 50 Prozent der Publikationen abdecken, mit starkem US-Bias. Insofern spricht alles dafür, dass das «Wissen der Welt» keineswegs politisch neutral bereitgestellt wird.

Günter Roth ist Professor für Sozialpolitik an der Hochschule München.