Die Vorwürfe wiegen schwer: Ein heute 49-jähriger Richter des fünfköpfigen Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden soll 2021 seine 24-jährige Praktikantin mündlich und körperlich über längere Zeit sexuell belästigt haben.

Im Raum steht sogar der Vorwurf einer Vergewaltigung am 13. Dezember 2021 – und das im Gebäude des Verwaltungsgerichts. Auch hat der verheiratete Mann seiner Praktikantin und deren Freund in einem anonymen Brief mutmasslich gedroht, es sei dafür gesorgt, dass sie die Anwaltsprüfung nicht bestehe.

Der mittlerweile zurückgetretene Richter räumte in seinem Schlusswort zwar weinend ein, dass er eine grosse Dummheit begangen habe. Er habe sich moralisch und ethisch falsch verhalten, sich aber strafrechtlich nichts zu schulden kommen lassen. Er habe eben gemeint, die Gespräche seien einvernehmlich gewesen.

Die Medien behandelten den Prozess in Chur – was die Person des Beschuldigten betrifft – mit grosser Diskretion. Obwohl es sich bei einem kantonalen Verwaltungsrichter mit erheblicher Machtfülle eigentlich um eine Persönlichkeit des öffentlichen Interesses handeln dürfte. Sein Name wird aber in veränderter Form verwendet. Und bezüglich seiner Partei herrscht erst recht Omertà.

Da das Bündner Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt der mutmasslichen Taten eine SVP-freie Zone war, kann der Beschuldigte dieser Partei unmöglich angehören. Wetten, dass sonst diese Partei und wohl auch der Name des Ex-Richters längst in den Medienschlagzeilen ausgewalzt worden wäre? Wie das in der Vergangenheit mit unbedeutenden SVP-Lokalpolitikern nachweislich verschiedentlich geschehen ist.

Da kann sich glücklich schätzen, wer als Richter von der Mitte portiert worden ist. Diese christliche Partei nannte sich damals allerdings noch CVP, was den mutmasslich Fehlbaren bislang vor einer Parteinennung gerettet hat. Getreu dem Grundsatz: «Ich bin nicht krumm, ich bin nicht grad, ich bin ein Christlich-Demokrat.»