Nun mach aber mal halb-Lang, Ricarda!

Drei Wochen vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern fordert ausgerechnet Grünen-Chefin Ricarda Lang mehr Tempo bei Abschiebungen.

Ricarda Lang?

Die Ricarda Lang von den «Menschlichkeit kennt keine Obergrenze»-Grünen? Genau die.

Bei Lichte besehen fordert sie freilich nur mehr Tempo bei den Rücknahme-Abkommen, die im Koalitionsvertrag stehen und für die FDP-Mann Joachim Stamp eigens einen Posten im Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) bekommen hat. Botschaft: SPD und FDP sind schuld. «Grüne machen Druck bei Rückführungen», liest sich halt als Zeile schön.

Die Wahrheit ist, dass sich die Grünen seit Jahren gegen die Ausweisung sicherer Drittstaaten sperren, in die Abschiebungen dann sehr viel schneller erfolgen könnten. Jetzt sollen es die Abkommen richten, von denen Lang weiss, dass sie lange dauern, wenn sie denn überhaupt kommen, weil die meisten Länder gerade in Nordafrika überhaupt kein Interesse daran haben, ihre Landsleute zurückzunehmen, und lieber auf die Rücküberweisungen der Migranten aus Europa bauen.

Fakt ist aber auch: Das Problem des massenhaften Zustroms ist mit Abschiebungen nicht zu lösen. Schon die Logik ist einigermassen schräg, dass jeder erst einmal kommen kann, und die Europäer dann für die Rückführung zuständig sind. Bei mehr als 162.000 Asylanträgen im ersten Halbjahr 2023 schob Deutschland etwas mehr als 7000 abgelehnte Bewerber ab. Wer Zuwanderung begrenzen will, muss bei der Einreise beginnen und nicht bei der Retoure.

Eine Binse eigentlich. Nur bei den Grünen braucht man für das Offensichtliche immer etwas länger. Und so dürfen wir auch Frau Lang beim taktischen Aufbaulehrgang «Realität für Anfänger» im Amte zusehen, wie dieser Tage erst ihrem Parteifreund Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der erklärte, im Lichte der heutigen Einsichten würde er nicht mehr den Wehrdienst verweigern.

Bitter für alle, die das schlichte Einmaleins der Wirklichkeit schon kannten, als die Grünen noch jeden vom Podium putzten, der nicht gegen Waffen und Atomkraft war. Zur Beunruhigung über die Grünen-Chefin besteht allerdings kein Anlass: Ändern wird sich durch ihren Spruch erst einmal gar nichts. Bei den Grünen nicht, in der Bundesregierung nicht und an den deutschen Grenzen schon gar nicht.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.