Am Freitagabend hat Micheline Calmy-Rey – 2003 bis 2011 als Vertreterin der SP Mitglied des Bundesrats und Vorsteherin des Aussendepartements – den Kurs ihrer Nachfolger scharf kritisiert. Diese führten das Land «heimlich in die Nato», indem sich die Schweiz von der Neutralität ab- und dem Militärbündnis zuwende. Ihre Wortmeldung geschah im Rahmen einer Veranstaltung der Weltwoche im Hotel «Bellevue» in Bern. Calmy-Rey diskutierte mit Alt-Botschafter Jean-Daniel Ruch und Roger Köppel über die heutige Weltlage und den richtigen Kurs der Schweiz.

Dass diese Nato-Annäherung nicht offen, sondern schleichend geschieht, nämlich vor allem durch entsprechende Bestrebungen im Verteidigungsdepartement, stösst bei Calmy-Rey auf wenig Verständnis. In der Tat hätte die Annäherung an die Nato bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des eidgenössischen Parlaments keine Chance. Was auch den Grund dafür liefert, dass Bundesrätin Viola Amherd (Mitte) ihr Ziel mit Alleingängen und dem Einsatz einer entsprechend zusammengesetzten Kommission für Sicherheitspolitik verfolgt.

Micheline Calmy-Rey sieht den richtigen Weg der Schweiz als Depositarstaat des Roten Kreuzes im beharrlichen Pochen auf die Menschenrechte, egal, von wem diese verletzt werden. Sie äusserte sich bedrückt und besorgt über das gegenwärtige Leid vieler Menschen und sprach sich für die bewährte Neutralität aus, wobei ihr die Neutralitätsinitiative zu weit gehe. Die Schweiz habe sich jeweils an die Sanktionen des Uno-Sicherheitsrates gehalten und – wo diese ausblieben – schon früher die Massnahmen der EU übernommen.

Was den Ukraine-Krieg betrifft, so habe dieser Europa und den gesamten Westen in grossen Schrecken versetzt, aber auch aufgerüttelt. Nichts führe daran vorbei, dass man den schrecklichen Krieg mit Friedensverhandlungen beenden müsse. Micheline Calmy-Rey hat den russischen Staatschef Wladimir Putin an verschieden Treffen kennengelernt. Er sei keineswegs «verrückt», sondern ein höchst rational handelnder und strategisch denkender Politiker.

Seine Neutralität und sein Ansehen in der Welt eröffneten unserem Land viele Möglichkeiten der Vermittlung und der Guten Dienste, so Calmy-Rey. Unsere Diplomaten beherrschten das entsprechende Metier ausgezeichnet. Im heutigen Aussendepartement sieht die frühere Chefin Micheline Calmy-Rey ganz offensichtlich Defizite in der Führung. Dem heutigen Vorsteher Ignazio Cassis (FDP) rät sie, im Aussendepartement seine Führungsrolle besser wahrzunehmen.

Die 3 Top-Kommentare zu "«Heimlich in die Nato»: Ex-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey übt scharfe Kritik an der Schweizer Aussenpolitik. Ignazio Cassis solle im Aussendepartement mehr Führung übernehmen"
  • Osi

    Auch wenn sie SP war, hat man Frau Calmy-Rey respektiert. Auch jetzt hat sie wieder recht. Cassis und Amherd verkaufen uns, haben kein Rückgrat und sind schlicht und einfach am falschen Ort, als Bundesräte.

  • maxmoritz

    Schön diese vernünftigen Worte von einem SP-Mitglied und ehemaliger Bundesrätin zu hören. Hoffentlich wirkt dies nun auch in Ihren Reihen nach!?

  • Kaiser Nero

    Michelin Calmy-Rey war halt noch ein ganz anderes Kaliber obwohl ich kein SP Fan bin. Ihr Kopftuch tragen bei einem Besuch im Iran kann man ihr nicht verübeln. denn sie hat sich den Gepflogenheiten des Landes angepasst und korrekt verhalten, wenn ich da an andere denke.