Der Tod von Jean Wicki (1933 bis 2023) hat mich tief erschüttert. Mit dem lebensfrohen Walliser ist eine der grössten Persönlichkeiten in der jüngeren Vergangenheit des Schweizer Sports von uns gegangen.

Um Jeans Bedeutung zu verstehen, muss man über ein halbes Jahrhundert zurückschauen. Nach Jahren der Düsternis brachte der Romand den Schweizer Bobsport 1968 zurück ans Licht – mit einem dritten Platz im Viererschlitten an den Winterspielen in Grenoble.

Die ganz grosse Geschichte schrieb er vier Jahre später in Sapporo. Mit Gold (im Vierer) und Bronze (im Zweier) trug er entscheidend zum grössten Fest im Schweizer Sport bei.

Die Erfolge von Wicki in Japan waren auch deshalb so wichtig, weil sie der Schweizer Bilanz eine weitere Dimension verliehen – fernab der Skipisten, Schanzen und Loipen.

Dass Wicki in Japan triumphierte, war unter anderem seiner minutiösen Vorbereitung geschuldet. Bereits ein Jahr zuvor war er an den exotischen Olympiaort gereist, um sich die neue Bahn anzuschauen.

Wicki stellte schnell fest, dass eine gute Startzeit entscheidend sein würde. Deshalb holte er sich mit den Zehnkämpfern Edy Hubacher und Werner Camichel sowie dem bärenstarken Nationalturner Hausi Leutenegger explosive Athleten in den Schlitten.

Und weil er vor den Spielen keine Gelegenheit erhielt, auf der Bahn zu proben, studierte er die Anlage detailbesessen auf den Plänen und verinnerlichte sich alle Informationen im Secondhand-Verfahren mit meisterlicher Akribie.

Jean war ein gefühlvoller Lenker im Eiskanal – und er war ein feinfühliger und liebenswerter Mensch daneben. Sein sprichwörtlicher welscher Charme und sein feiner Humor öffneten ihm fast alle Türen – auch in Zürich, wo er nach seiner Aktivkarriere als Garagist und Immobilienunternehmer geschäftlich tätig war.

Wicki, der auch als Autorennfahrer Talent besass, war ein Familienmensch. Das Flair für den Eissport vererbte er an seinen Sohn Alain, der im Skeleton WM- und EM-Gold gewann.

Spricht man heute von den goldenen Tagen von Sapporo, ist fast immer von Bernhard Russi und Marie-Theres Nadig die Rede.

Die vielleicht noch grössere Geschichte aber schrieb ein Mann, der das Scheinwerferlicht nie suchte – der sich mit Eleganz, Charme und ganz viel Charisma einen Platz in der Schweizer Sportgeschichte gesichert hat.

Jean Wicki musste nicht laut sprechen, um von den Menschen gehört zu werden. Jeder, der das Vergnügen hatte, ihm zu begegnen, war von seiner zuvorkommenden und herzlichen Art berührt. Jean war ein Gewinner – einer, der die Menschen für sich gewann.

Adolf Ogi war an den Winterspielen in Sapporo technischer Direktor des Skiverbands und wichtigster Wegbereiter des historischen Schweizer Grosserfolgs.