Am Anfang hiess er Carlos. Dann nannte man ihn Brian.

Immer gleich waren nur Aussenwahrnehmung und Darstellung in den Medien: Der Mann kostet den Steuerzahler horrende Summen, profitiert von (vermeintlichen) Privilegien, bleibt aber ein unverbesserlicher Straftäter.

Vergangene Woche ging dann alles plötzlich ganz schnell: Brian wurde aus der Haft entlassen, erhielt seinen Nachnamen zurück («Keller») und trat mit Brille und sauber gestutztem Bart vor die Kameras. Er wirkte gefasst und bemerkenswert besonnen: «Jetzt beginnt das Leben», sprach er vor dem Bezirksgericht Zürich den zahlreichen Reportern in die Mikrofone.

Als Erstes gehe er mit seinen Anwälten und seiner Familie essen – Spaghetti mit Scampi. Zu seinem Berufswunsch sagte er: «Ich möchte Profiboxer werden und einfach ein anständiger Bürger sein.»

Das könnte schwierig werden. Denn Keller sass siebeneinhalb Jahre in Haft und hat nun Knall auf Fall alle Freiheiten, an die er nie gewöhnt war. Ihm wird ein Sozialpädagoge zur Seite gestellt, der fast rund um die Uhr für ihn da ist. Trotzdem gehen Psychologen von einer grossen Rückfallgefahr aus.

Frank Urbaniok, Professor für forensische Psychiatrie und bekanntester Gerichtspsychiater der Schweiz, äussert gegenüber SRF ebenfalls seine Bedenken – vor allem wegen des Tempos der Freilassung: «Es ist immer eine schlechtere Ausgangsposition, wenn jemand von null auf hundert direkt in Freiheit kommt. So fällt die Möglichkeit weg, eine Person über Lockerungen, Urlaub oder mehr Belastung daran zu gewöhnen und bei Bedarf zu intervenieren.» Die Nagelprobe werde sein, wie Keller mit den ganzen Schwierigkeiten, Frustration und Rücksetzern umgehe, so Urbaniok.

Auf die Frage, wie man die Gewaltspirale beim notorischen Delinquenten durchbrechen könne, sagt der Fachmann: «Es wurde viel probiert, von Spaziergängen bis Therapien. Die Profis im Vollzug überlegen sich permanent, welche Lösungen und Perspektiven es gibt. Zu sagen, dass es andere Lösungen geben muss, klingt gut, aber zu einfach. Man muss dann auch Ross und Reiter nennen und sagen: Was wären die anderen Lösungen gewesen? Und natürlich ist es eskaliert. Aber an der Wurzel des Problems ist eine Person, die gewaltbereit und jederzeit bereit ist, zuzuschlagen, zu bedrohen, Menschen zu attackieren.»

Mit anderen Worten: Brian Keller muss nun in Freiheit jene Verantwortung übernehmen, die ihm in den vergangenen acht Jahren abgesprochen wurde – auf die er in keiner Weise vorbereitet ist. Man muss kein Prophet sein, um Schlimmes zu befürchten. Die Schuldfrage ist dabei zweitrangig.

Versagt haben in diesem traurigen Fall alle: neben Keller vor allem die Justiz, der Strafvollzug und die Medien.