Seit längerem mischt sich auch SP-Bundesrat Beat Jans in die öffentliche Debatte rund um das umstrittene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betreffend die Klimaseniorinnen. Dabei hat die Verurteilung der Schweiz bis in seine eigene Partei Empörung ausgelöst – und die zuständigen Kommissionen des Parlaments wollen es so nicht stehen lassen.

Justizminister Beat Jans gibt zu bedenken, dass die Kritik am europäischen Menschenrechtsgericht bei menschenrechtlich angeblich problematischen Staaten gefährliche Signalwirkung haben könne. Denn solche Länder könnten künftig auf die Schweiz verweisen und darauf aufmerksam machen, dass diese sich vom Gericht in Strassburg auch nicht alles gefallen lasse.

Dazu meinte Jans laut Radio SRF wörtlich: «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in die Schublade von Ländern kommen, die Entscheide nicht umsetzen.» Und weiter: «Wir sollten nicht als schlechtes Beispiel vorangehen und nicht akzeptieren, was Gerichte sagen.»

Dass Jans mehr Bedenken hat über einen Imageverlust durch eine vermeintlich falsche Schubladisierung als über die Nichtbeachtung eines demokratischen Volksentscheids in der Schweiz – nämlich die Ablehnung des CO2-Gesetzes – ist recht bezeichnend. Aber für unseren Bundesrat und dessen Verwaltung durchaus folgerichtig, hat man den Kopf in Bundesbern doch längst nicht mehr im eigenen Land. Das eigene Ansehen bei den Regierungs- und Verwaltungskollegen in Brüssel, Strassburg, Berlin oder Paris ist ihnen viel wichtiger.

Dazu kommt, dass es einem Bundesrat eines neutralen Landes nicht im Geringsten zusteht, andere Staaten zu schubladisieren. Die Unterteilung in Gut und Schlecht, in Busenfreund oder Schurke, ist weder die Aufgabe von Bundesrat Jans noch irgendeinem anderen seiner sechs Kollegen.

In Wahrheit dürfte der Protest aus der Schweiz gegen das Strassburger Urteil zwar bei den Eliten auf wenig Gegenliebe stossen. Die Bevölkerung in den Ländern, die im Europarat vertreten sind, dürften aber mit Bewunderung zur Kenntnis nehmen, dass in der Schweiz noch immer die Bürger das letzte Wort haben.